Langeweile und Spaß dabei

Jetzt ist es soweit: das erste Mal Langeweile. Doch es tut gar nicht weh. Stattdessen stellt sich eine Trägheit ein, zu der wir vor einem halben Jahr nicht ansatzweise in der Lage waren. Was wir früher an einem Tag geschafft haben, schaffen wir heute nicht in einer Woche. Und das ist gar nicht schlimm.

Unser Reiseplan leidet ein wenig darunter, doch das muss er aushalten. Ohnehin warten wir auf ein Paket mit zwei weiteren Traggelenken, das wir postlagernd nach Antalya haben senden lassen. Es ist bereits seit dem 27. März unterwegs und gestern erst im Zielland eingetroffen. Jetzt muss es noch nach Antalya. Die durchschnittliche Laufzeit von Paketen in die Türkei beträgt zwei bis drei Wochen.

Derweil ist hier in Cirali der Sommer ausgebrochen, mit Sonne, Sand und Insekten. Wir sitzen von morgens bis abends draußen vor dem Bus und haben uns ein Schattenplätzchen gesucht, weil es manchmal schon zu heiß wird. Die Temperatur liegt am Tag zwischen 20 und 25 Grad im Schatten. Nachts schlafen wir bei offenen Fenstern. So könnte es eigentlich das ganze Jahr bleiben.

In die Bucht, in der wir uns befinden, haben sich ein paar deutsche Osterurlauber verirrt. Sie kommen abends mit geliehenen Wohnmobilen und sind am nächsten Morgen schon wieder verschwunden, wenn wir aufgestanden sind. Oder sie laufen verschwitzt und abgekämpft mit Rucksäcken an uns vorbei, weil sie auf dem lykischen Weg wandern, der durch die Bucht führt. Wir haben es gerade einmal geschafft, den Strand auf- und abzulaufen. Wir leben derzeit einfach in einer anderen Dimension.

So sieht übrigens ein glückliches Geburtstagskind aus:

 

Und so feiert es:

Und so sieht der große, wuschelige Hendrix (Loukas sein liebster Raufgefährte) aus, wenn er sich gerade schüttelt:

Veröffentlicht unter Allgemein, Türkei | Verschlagwortet mit | 8 Kommentare

Hallo Goethepanzer!

Bisher waren wir überzeugt, nur im Kreise unserer Familie, Freunde und Bekannten weltberühmt zu sein. Doch gestern ist es passiert. Wir liefen entlang des Strands von Cirali, als uns ein Pärchen mit einem alten Mercedes-Bus zuwinkte und rief „Hallo Goethepanzer“.

Marco und Daniela haben ungefähr das Gleiche vor wie wir und sind bei ihrer Recherche im Internet auf unsere Seite gestoßen.

Wir werden auf offenem Strand erkannt! Wir sind berühmt!

Wir sollten jetzt schon mit dem Merchandising anfangen:

  • kleine grüne VW LT 28 als Schlüsselanhänger,
  • Hundefutter der Marke „Loukas Interkontinental“,
  • ein Brettspiel mit dem Namen „Reise nach Kasachstan“ mit Ereigniskarten, die lauten: „Setze eine Runde aus, weil du auf dein Visum warten musst“ oder „Zahle 3.000 Euro für Reparaturen und setze zwei Runden aus, um auf die Ersatzteile zu warten“,
  • ein Paarberatungsbuch „1.000 Dinge, die man bei Regen auf 6 Kubikmeter machen kann“,
  • Starschnitte, Spielfiguren, Kaffeetassen usw.

Zudem sollten wir an der Legendenbildung arbeiten. Z.B. wie ich als Kind bereits mit dem Modell eines VW LT 28 mit Anhänger der Firma Siku gespielt habe, um mich auf die Reise vorzubereiten. Oder wie Sylvia internationales Tourismusmanagement studiert hat, um zielgerichtet Tourist-Offices selbst am ödesten Ort der Welt zu finden.

Das wird ein Spaß! Wir werden gleichziehen mit Lucasfilm und dem ganzen Star Wars-Gedöns. Unsere Artikel werden die Kioske der Welt fluten. Und wir werden Stammgäste in der Harald-Schmidt-Show… Verdammt! Die gibt’s ja jetzt gar nicht mehr. Egal. Dann machen wir unsere eigene Show: Die Montagsfahrer. Oder: Auf 80 Traggelenken um die Welt.

Veröffentlicht unter Allgemein, Begegnungen, Türkei | Verschlagwortet mit | 7 Kommentare

Tote Flöhe beißen nicht

Alles hat seinen Preis. Das ausgelassene Spiel mit streunenden Hunden kostet ein juckendes Fell.

     

Nachdem Loukas jetzt die Chemiekeule (Frontline) zu spüren bekommen hat, muss er erleichtert feststellen: Nur ein toter Floh ist ein guter Floh.

Noch am Strand bei Selcuk trafen wir auf Erich aus dem Allgäu, der in Selcuk ein Haus hat. Als Türkeikenner empfahl er uns verschiedene Reiseziele, die wir zum Teil schon besucht haben, wie z.B. Ephesos, das direkt bei Selcuk liegt (siehe Ephesos unter Antikes Gedöns). Danach fuhren wir ins Landesinnere nach Pamukkale zu den Kalksinterterassen und der antiken Stadt Hierapolis (siehe Hierapolis unter Antikes Gedöns).

Da wir nach über vier Monaten Strandaufenthalten die abwechslungsreiche Landschaft Zentralanatoliens sehr genossen haben, beschlossen wir zu einem Bergsee zu fahren. Wir kamen mitten in der Nacht dort an und stellten uns an eine kleine, fast gar nicht befahrenen Straße. Wir waren ein wenig irritiert, als es eine halbe Stunde später an unsere Türe klopfte. Vor uns stand ein mittelalter Mann, der auf Türkisch auf uns einredete. Erst nach einer Weile verstanden wir, dass er mit seinem Wagen liegengeblieben war und Diesel brauchte. Er bat uns um unseren Kanister und ein Fahrrad. Da die nächste Stadt aber 15 km entfernt war, boten wir ihm an ihn zu fahren. Gesagt, getan. Wir fuhren ihn mit 10 Liter Diesel zurück zu seinem Wagen, einem Ford Transit neuerer Bauart, an dem sein Vater auf ihn wartete. Er sah sehr muselmanisch aus und nahm weder Augenkontakt mit uns auf, noch sprach er mit uns. Sein Sohn schickte uns mit Handzeichen weg und deutete an, unseren Kanister und ein Kopflicht, das wir ihm gegeben hatten, später zurückzubringen. Wir stellten uns wieder auf unseren Standplatz und warteten. Als nach einer halben Stunde immer noch nichts geschah, ging ich zu Fuß die 200 Meter zu dem liegengebliebenen Wagen. Der Sohn war heftig damit beschäftigt, per Hand Diesel in den leergefahrenen Dieselfilter zu pumpen. Er bat mich um einen Schlauch, um Diesel aus dem Tank zu saugen, in den er die gesamten 10 Liter gekippt hatte. Seine Idee war, Diesel direkt in den Filter zu gießen. Ich besorgte ihm den Schlauch, der Tank lag jedoch zu tief. Dem Vater war meine Hilfe offensichtlich sehr peinlich und der Sohn wurde immer nervöser. Nachdem ich einen längeren Schlauch gebracht hatte, der aber auch nicht funktionierte, drückte mir der Sohn alles wieder in die Hand und deutete an, dass sie jetzt schlafen wollten. Ich stand ziemlich perplex da und stammelte: „I just want to help.“ Aber als Antwort bekam ich nur „Teschekür“. Ich ging zurück zu unserem Stellplatz. Am nächsten Morgen kam dann ein Trecker und schleppte sie ab.

Mir ist nicht klar geworden, was das Problem war. Entweder eine komplexe Vater-Sohn-Beziehung oder das Annehmen der Hilfe von Ungläubigen. Ich hätte sie auch ins nächste Dorf abgeschleppt, aber die deutliche Zurückweisung unserer Hilfe mussten wir einfach akzeptieren.

Der Bergsee war übrigens eine Fehlentscheidung. Am nächsten Tag war es einfach zu kalt. In der Nacht lag die Temparatur bereits um den Gefrierpunkt und stieg tagsüber nicht bedeutend an. Immerhin befanden wir uns auf 1200 Metern Höhe. Dementsprechend karg und verlassen war die Landschaft. Im Sommer, wenn es am Meer brütend heiß ist, ist es hier wahrscheinlich sehr angenehm.

     

Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollten, am Meer war es laut Wetterbericht 10 bis 15 Grad wärmer. Also traten wir den Weg Richtung Antalya durch die kargen und weiten Hochebenen Anatoliens an, deren Bewohner anscheindend ausschließlich von Landwirtschaft und Marmorabbau leben.

     

Wir landeten in Cirali, einer Bucht 80 km südlich von Antalya. Hier ist es relativ entspannt, man trifft nette Leute wie Cima und Mirko, zwei Teilzeitausteiger wie wir, und kann nachts zu den ewigen Feuern laufen, an denen man dann unentwegt auf deutsche Urlauber stößt, die nicht alle ganz so entspannt sind. Auch die Wärme hat eben ihren Preis.

    

 

Veröffentlicht unter Allgemein, Hund, Türkei | Verschlagwortet mit | 2 Kommentare

Erste Kontakte

Seit dem 21. März sind wir nun in der Türkei. Und wir reisen. Welch Wohltat nach dem wochenlangen Hickhack um die Reisepässe und dem gefühlt ewigen Stillstand!

Die erste Nacht verbrachten wir an den Dardanellen am südlichen Marmaris-Meer. Am darauffolgenden Tag überquerten wir die Meerenge mit der Fähre und den dazugehörigen Highlights wie Delfine und Kriegsschiffe.

     

 

Unser erstes kulturelles Ziel war Assos, in der Antike eine bedeutende griechische Stadt, in der auch Aristoteles drei Jahre gelebt und eine Schule aufgebaut hat. Dort trafen wir in dem ganzen Souvenir- und Touristennepp zufällig auf einen Rentner, der Individualbesuchern wie uns kostenlose Führungen gibt. Er sprach Englisch und Deutsch und hatte 35 Jahre bei den Ausgrabungen mitgewirkt. Da wir die Ausgrabungsstätte bereits hinter uns hatten, zeigte er uns die lokale Moschee, zu der er den Schlüssel hatte.

Troja haben wir uns übrigens geschenkt, weil wir unserem Reiseführer aus dem Michael-Müller-Verlag vertrauten: „Troja ist die bekannteste türkische Ausgrabungsstätte. Doch auf 5000 Jahre Geschichte treffen hier jährlich tausende enttäuschte Besucher.“ Enttäuschte Besucher wollten wir nun wirklich nicht besichtigen.

     

     

Nach einer Übernachtung an einem Strand, an dem wir von der Gendarmerie nachts freundlich aber bestimmt kontrolliert wurden, fuhren wir weiter nach Bergama, dem antiken Pergamon. Wir schenkten uns die Ausgrabungsstätte, weil wir an einer Überdosis an Besichtigungen antiker Ruinen litten. Dies hinderte uns jedoch nicht daran, ein unschuldig am Straßenrand stehendes Bauwerk (Rote Halle, erbaut vom römischen Kaiser Hadrian) zu fotografieren. Als Alternativprogramm organisierten wir uns eine türkische Prepaid-SIM-Karte für das Internet über Mobilfunk mit 4 GB Transfervolumen (39 türkische Lira + einmalig 26 TL für die Karte). Ich musste den Verkäufern zeigen, wie man die SIM-Karte mit unserem nicht gelockten USB-Modem zum Laufen bekommt. Falls das mal jemand nachmachen möchte: Der APN (Access Point Name) für Turkcell lautet „internet“.

     

Durch Izmir sind wir glatt über die Autobahn durchgefahren. Den Berufsverkehr in einem 4-Millionen-Molloch wollten wir uns und unserem Hund nicht antun. Hinter Izmir standen wir plötzlich auf der Autobahn vor einer automatischen Mautstation. Für das türkische Mautsystem benötigt man Prepaid-Karten, die wir aber leider nicht hatten, da wir nicht davon wussten. Da wir nicht wenden konnten und sich hinter uns eine Schlange bildete, fuhren wir einfach durch, was einen kleinen akustischen Alarm auslöste. Wir hofften, beim Abfahren von der Autobahn auf eine Mautstation mit Personal zu treffen. Doch auch dort waren nur Automaten. Mal sehen, ob das an der Grenze bei der Ausreise Probleme gibt. Nach unserer Recherche handelte es sich bei der von uns geprellten Mautgebühr um ca. 2 Euro…

Wir landeten schließlich an einem Strand bei Selcuk, einem der wenigen Orte, die an der türkischen Küste nicht mit Hotelburgen und Ferienhaussiedlungen zugekleistert sind. Dort trafen wir auf zwei LKW-Fahrer, die nur Türkisch sprachen. Mithilfe von Wörterbüchern, Telefonaten mit dem Vater des jüngeren Fahrers, der Englisch sprach, und Google Translate war jedoch so etwas wie eine Verständigung möglich. Es stellte sich heraus, dass es sich um Onkel und Neffe handelte, die mit ihrem kleinen Truck verschiedene Transporttätigkeiten durchführen. Der Neffe verdient dabei je nach Auftragslage durchschnittlich 1200 TL pro Monat (entspricht ca. 480 Euro). Die Türkei ist eben nicht Griechenland. Dort verdienen pakistanische Tankstellenwärter noch 600 Euro, zahlen jedoch auch deutlich höhere Mieten und Lebenshaltungskosten.

     

Nachdem dann in der Nacht erneut die Gendarmerie aufkreuzte und uns diesmal im Beisein der Fernfahrer mitteilte, dass wir an dem Strand nicht übernachten könnten, weil es zu gefährlich sei, hatte ich noch ein lustiges Telefonat mit dem Vater des jungen LKW-Fahrers. Der sagte mir, nachdem er kurz laut gelacht hatte: „Welcome to Turkey!“ Wir sollten die Polizei nicht so ernst nehmen. Sein Bruder und sein Sohn würden schon auf uns aufpassen. Und nach Ankara hat er uns eingeladen. Das werden wir wohl auf der Rückfahrt gerne annehmen.

Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass die Türkei verglichen mit EU-Ländern ein Polizeistaat ist. Auf den Transitstrecken sieht man alle 100 bis 200 Kilometer eine Polizeikontrolle, die willkürlich Fahrzeuge anhält. Und in vier Nächten sind wir bereits zweimal kontrolliert worden.

Meanwhile sage ich da nur: Keep on rockin‘ in the free world, oder so…

Veröffentlicht unter Allgemein, Begegnungen, Türkei | 1 Kommentar

Beine

Eigentlich steht man die meiste Zeit darauf herum, dabei sind sie zu erstaunlichen Leistungen fähig. Erst neulich konnte ich mich davon überzeugen, als ich mal wieder versucht habe, in 9 Stunden um 5 Jahre zu altern.

08.30 Uhr: Nachdem ich mir den Wecker auf 06.00 Uhr gestellt hatte, kam ich tatsächlich um 06.30 Uhr los, um den Olymp im Winter zu besteigen. Nach 2 Stunden, 4 km Ziehweg und einem Aufstieg von 950 auf 1450 Höhenmeter im Schnee das erste Foto. Ich finde, man sieht mir meine knapp 50 gar nicht an.

 

10.15 Uhr: Eine Hütte mit Winterraum auf 2000 Metern mit wunderschönem Ausblick auf die noch wolkenbedeckte Küste, die nur 15 km entfernt ist. Viertelstunde Pause, dann weiter.

     

12.30 Uhr: Nachdem ich mich 2 Stunden lang ein elend langes Schneefeld hinaufgequält hatte, kam ich auf einem Hochplateau auf 2400 Metern mit Blick auf die Gipfel des Olymps an. Im Hintergrund der Mytikas, der höchste mit 2918 Metern. Wunderschönes Panorama, aber auch vollkommene Erschöpfung. Um im Winter auf die Gipfel zu kommen, muss man hier oben übernachten. Aber wer will das schon, allein in solchen Winterräumen:

 

Also trat ich nach einer halben Stunde Pause den Rückweg an.

13.30 Uhr: Wieder auf 2000 Metern bei der Hütte und um Jahre älter. Der weiße Schnodder um meinen Mund ist übrgigens Sonnencreme. Nachdem ich mir 2008 einmal so dermaßen auf einem Gletscher die Lippe verbrannt hatte und ich aussah wie die Karikatur meiner selbst, bin ich vorsichtig geworden. Man lernt ja doch dazu.

 

16.00 Uhr: Ankunft im Basislager auf 950 Metern. Nach viereinhalb Monaten ohne Sport habe ich mich mal so richtig durchgepustet. In den nächsten Tagen werde ich wohl nicht auf den Mount Everest steigen können. Das liegt sowohl an den Krämpfen in meinen Beinen als auch an meinen Füßen. Wegen des vielen Schnees musste ich meine Gletscherstiefel anziehen, in denen ich mir immer so fiese Blasen laufe. These shoes were not made for walking.

 

Veröffentlicht unter Allgemein, Griechenland, Wandern, Klettern, Bergsteigen | Verschlagwortet mit | 3 Kommentare

Die Straße hat uns wieder

Ich sitze in der heißen Frühlingssonne vor unserem Bus. 950 Meter unter mir befindet sich der Ort Litochoron und gleich dahinter beginnt das Meer. Aber ich blicke bloß auf eine geschlossene Wolkendecke, auf ein Wolkenmeer. Dort unten, am Fuße des Olymps, ist es jetzt sicher grau und diesig. Hier oben trübt dagegen keine einzige Wolke den stahlblauen Himmel. Karsten hat sich heute früh um sieben Uhr aufgemacht, einen der drei Gipfel des Olymps zu besteigen. Ich bleibe mit Loukas im Basislager und koche schon mal das Bergsteiger-Menü. Mit Hund sind lange Bergtouren erst einmal nicht möglich. Schließlich können wir ihm schlecht den Kühlschrank füllen und einen Schlüssel um den Hals hängen. Mir macht das heute aber nicht so viel aus. Ich bin im Schnee eh zu langsam, um den  Gipfel auf knapp 2.900 Meter an einem Tag zu schaffen. Dafür haben wir gestern eine ausgiebige Schneewanderung durch den Olymp-Nationalpark mit immerhin 1.000 Höhenmetern gemacht. Loukas, der seinen ersten richtigen Schneekontakt hatte, war erst unersättlich und dann völlig platt. Nach der Pause hat er sich dann ohne Protest im Rucksack tragen lassen und den Rest der Wanderung aus dem Kinosessel genossen.

       

Bevor wir hierher kamen waren wir im Landesinneren bei den Meteora-Klöstern. Das UNESCO-Weltkulturerbe wurde uns immer wieder wärmstens empfohlen. Ein schöner Flecken Erde. Die Felsformationen erinnern mich an den Nationalpark Sächsische Schweiz. Nur eben mit Klöstern. Bereits im neunten Jahrhundert ließen sich hier Eremiten nieder. Im 13. Jahrhundert errichteten dann Mönche die ersten Klöster auf den etwa 500 Meter hohen Felsen. In Körben hieften sie sich und das Material hoch und wieder hinunter. Die Abgeschiedenheit zwischen Himmel und Erde muss ein wahrhaft karges Leben bedeutet haben.

Wenngleich ich von den Felsformationen beeindruckt war, finde ich, dass mein Reiseführer übertreibt wenn er schreibt: „Zweifellos nicht nur eine der schönsten Landschaften Griechenlands, sondern der ganzen Welt!“ Dafür ist hier viel zu viel los. Tausende Touristen besuchen den Ort das ganze Jahr über. Souvenirstände säumen den Weg zu den Klöstern. Wahrscheinlich leben deswegen heute nur noch wenige Gottesdiener hier. Im Sommer sollen gar Studenten in Kutten als Mönch-Statisten für ein wenig Authentizität sorgen. Keine Ahnung, ob das stimmt. Die Häuser selbst sind restauriert und fein rausgeputzt. Wandmalereien erinnern an christliche Märtyrer, die wegen ihres Glaubens von muslimischen Besatzern gefoltert und getötet wurden. Ausgestellt sind zudem Waffen, Kriegsbilder und Menschenschädel. Ein schönes Erlebnis hatte ich dagegen, als ich kurz nach Sonnenaufgang mit Loukas bis an die Pforte eines Nonnenklosters wanderte, und ihren morgendlichen Lobgesang in der kühlen Stille lauschen konnte.

  

Übernachtet haben wir an einem Aussichtspunkt, wo wir Jemma und Ben aus Neuseeland kennen lernten. Mit Rucksack und Flugzeug reisen sie ein halbes Jahr lang um die Welt. Auch Werner und Ursula aus Süddeutschland haben wir wieder getroffen. Die Meteora-Klöster waren nach drei Monaten Griechenland die letzte Station vor ihrem Heimweg.

  

Fünf Tage zuvor waren wir von Korinth nach Thermopyles aufgebrochen. Die Nachtfahrt von Korinth durch die Berge überraschte uns mit Schnee. Wir wähnten uns schon die Nacht auf dem Berg festsitzen – schließlich sind wir mit Sommerreifen unterwegs. Als plötzlich, nachts um zwei Uhr, aus dem Nichts, ein Schneeräumer auftauchte und uns den Weg zu den heißen Quellen ebnete. Zwei Tage schlechten Wetters verharrten wir dort. Um dann gemeinsam mit Margarete bei 25 Grad und Sonne zu den Meteora-Klöstern aufzubrechen.

  

In Korinth hatten wir zuvor vergeblich auf unsere Reisepässe gewartet. So konnten wir mit Efi und Nikos im Jugendzentrum um die Ecke einen ziemlich schrägen Film aus den 70ern schauen: Sweet Movie von Dusan Makavejev. Die Atmosphäre in dem Laden war toll und wir hatten noch einen geselligen Abend. Da das Zentrum keine Konzession als Bar hat, gab es den ganzen Abend Getränke umsonst. Und bevor wir gingen, konnten wir so viel spenden wie wir dachten, dass die Getränke es wert waren. Loukas hat dann kurz vor unserer Abfahrt auch noch eine Fußballmannschaft aufgemischt.

       

Unsere Pässe sind übrigens derweil wirklich und wahrhaftig bei Freunden von Efi und Nikos in Thessaloniki angekommen. Morgen früh holen wir sie ab, um dann rubbeldiekatz in die Türkei aufzubrechen. Die Straße hat uns wieder!

Veröffentlicht unter Allgemein, Griechenland, Wandern, Klettern, Bergsteigen | Verschlagwortet mit | 1 Kommentar

Reisepässe kommen – die Zweite

Gestern haben wir von der Reiseagentur die Nachricht bekommen, dass unsere Reisepässe inklusive Visa für Kasachstan nun wirklich und wahrhaftig mit Express-Kurier nach Korinth versendet wurden. Laut Online-Lieferzeit-Rechner sollten sie morgen um 18 Uhr Ortszeit hier eintreffen.

Sobald wir die Nachricht erhielten, sind wir von Nafplio aufgebrochen. Hier in Korinth können wir noch einiges erledigen, bevor es weiter geht: Karsten hat heute morgen mit ganzem körperlichen Einsatz und gewohntem MacGyver-Geschick das rechte Führungsgelenk der Vorderachse ausgetauscht. Ich habe ausdauernd daneben gestanden und ein kluges Gesicht gemacht. Das Ersatzteil hatten wir bereits vor zehn Tagen via Internet in Deutschland bestellt. Gleich fahren wir zum Baumarkt und besorgen Material, um für Loukas ein neues Beifahrerkörbchen zu basteln. Der bislang bewährte Transportrucksack ist mittlerweile zu eng geworden.

Dann kaufen wir noch eine LED-Leiste für Margarete, die wir nächste Woche in Thermopiles wieder treffen. Und ein Foto für Loukas‘ Tierpass müssen wir noch drucken lassen. In der Apotheke werden wir das Gegengift-Kit für Loukas besorgen, das uns die Tierärztin gestern aufgeschrieben hat. Hier in Griechenland und in einigen anderen Ländern auf unserem Weg wird regelmäßig Gift in leckeren Fleischstücken versteckt – insbesondere vor Feiertagen oder publikumswirksamen Events, um die streunenden Hunde zu entfernen. Natürlich illegal. In der Ukraine geht es vor der EM 2012 gerade richtig rund. Wen es interessiert, einfach mal Ukraine und Hunde googeln.

Aber ich komme ins Plaudern… wir müssen jetzt weiter zum Baumarkt. Ich bin sehr gespannt, ob wir die Pässe wirklich morgen in den Händen halten. Wir werden berichten.

Veröffentlicht unter Allgemein, Bus, Griechenland, Hund | Verschlagwortet mit | 6 Kommentare

Fleisch

Wo lebte das Rind, dessen Fleisch auf meinem Teller liegt? Wie starb das Huhn, dessen Schenkel ich genussvoll knabbere? In welchem See schwamm der Fisch, dessen Leib ich aufschlitze? An deutschen Mittagstischen spricht man (meist) nicht darüber, dass das Fleisch auf unseren Tellern tatsächlich von toten Tieren stammt. Dass diese einst lebten. Dass sie grunzten, muhten oder gackerten, dass sie fraßen und schissen. Eine Zeit lang habe ich mir einen Spaß daraus gemacht, bei fleischhaltigen Mittag- oder Abendessen von den Tieren zu sprechen, die diese Lebensmittel einst waren: „War das wohl ein glückliches Schwein?“ Stets blickte ich in angewiderte Gesichter. Ich wurde gebeten „doch jetzt bitte damit aufzuhören“ und mir wurde erklärt, dass das am Tisch nun wirklich niemand wissen wolle.

Warum eigentlich nicht? Können wir Deutschen so schlecht mit dem Thema Tod umgehen? Damit, dass Werden und Vergehen so nah beieinanderliegt? Oder sind wir Stadtkinder der „Generation Supermarkt“ einfach nur so entfremdet von diesen Lebensmitteln, dass wir glauben wollen, es wachse rosarot in der eingeschweißten Plastikschale bei Lidl, Aldi und Co.

In vielen anderen Ländern wird natürlicher mit Fleischwaren umgegangen. In Albanien sahen wir, wie Kälber vor einem Haus öffentlich an einer Landstraße geschlachtet wurden. Hühner wurden lebend am Straßenrand verkauft, frischer geht´s nicht. In Griechenland sieht man in den Fleischtheken neben Steak, Schnitzel und Fleischspieß alles was das Schlachterherz begehrt: Pansen, Hälse, Zungen, Herzen, Köpfe von Lämmern oder ganze Kaninchen inklusive Puschelschwänzchen. Auch wenn es dem durchschnittlichen deutschen Stadtmenschen auf den ersten Blick unappetitlich anmutet… ich finde es gut so. Es muss vielleicht nicht gleich das albanische Straßen-Schlachtfest sein (nicht zuletzt aus hygienischen Gründen). Aber wenn wir Tiere essen, sollten wir uns zumindest dessen bewusst sein. Die folgenden Impressionen habe ich auf einem Fleischmarkt in Athen gesammelt.

        

Ich war übrigens sieben Jahre lang Vegetarierin. Bis zu meinem 28. Lebensjahr aß ich kein Fleisch mehr. Zunächst protestierte ich damit gegen die Praktiken der industriellen Fleischproduktion. Später dann konnte ich einfach kein Tier mehr runterkriegen. Bis mir der Leiter des Nationalparks, in dem ich damals noch Praktikantin war, einen Teller mit regionaler Wildschweinsalami auf den Schreibtisch stellte. Obwohl ich erst protestierte, habe ich schließlich zugegriffen. Der Duft war zu verlockend. Seitdem esse ich wieder Fleisch; nicht oft, aber gerne. Derselbe Chef schenkte mir fünf Jahre später ein Buch, das ich nicht nur Veganern und Vegetariern empfehlen kann. Ich finde, jeder der in Deutschland schon mal Lebensmittel eingekauft hat, sollte dieses Buch gelesen haben. Es heißt „Fleisch essen, Tiere lieben – Wo Vegetarier sich irren und was Fleischesser besser machen können“ (erhältlich zum Beispiel bei www.buch.de). Die Autorin Theresa Bäuerlein ist Journalistin und war selbst lange Zeit Vegetarierin. In ihrem gut recherchierten und spannend geschriebenen Buch hebelt sie viele Argumente „gegen das Steak und für den Tofu“ aus. Sie schreibt über die Probleme industrieller Landwirtschaft und sie erklärt, wie man wieder mit gutem Gewissen Fleisch genießen kann.

Veröffentlicht unter Allgemein, Griechenland | Verschlagwortet mit | Hinterlasse einen Kommentar

Vom Aussterben bedrohte Exemplare automobiler Vollendung von Nutzen und Schönheit

Unser Reisebüro hat uns ganz schön hängenlassen. Zuerst hieß es im August letzten Jahres, Visa für Russland, Kasachstan und Kirgistan: kein Problem. Die russischen und kirgisischen Visa kamen dann auch recht flott. Dann erhielten wir jedoch die Nachricht (nach mehrmaliger Nachfrage): Für Kasachstan hätten sich die Einreisebestimmungen geändert und eine Beantragung ginge erst ab Januar 2012. Wäre aber alles kein Problem. Wir sollten die Pässe Anfang Januar zum Reisebüro schicken, dann würde das innerhalb von zwei Wochen über die Bühne gehen, und wir hätten die Pässe wieder in Griechenland. Das ist jetzt drei Monate her. Die Kommunikation mit unserem Reisebüro ist mehr als schleppend. Ohne unser beharrliches Nachbohren erhalten wir keine aktive Information. Letzte Woche dann die Nachricht (wieder nach dreimaligem Anrufen bei dem Reisebüro): die Pässe wurden durch die Botschaft nach Griechenland versendet. Gestern hatte ich jedoch folgende Mail von der Botschaft von Kasachstan in meinem Postfach:

„Meine Damen und Herren, wir sind die Vertreter der Konsulate von Kasachstan in Berlin, teilen Ihnen mit , dass auf Grund der Verzögerung in der Bearbeitung Ihrer Unterladen sind wir in der Lage, ihr visum erst am 06.03.12 an Sie nach Griechenland zu senden.

MfG

–“

Das Ganze ist eine Übung in Geduld. Meanwhile versuche ich mich im Sammeln von seltenden Autos – Fahrzeuge, die man in Deutschland so nicht mehr antrifft und die zumindest die Vetreter meiner Generation an ihre Kindheit und Jugend erinnern. Einige der Modelle bin ich später sogar gefahren: Ich hatte einen wunderschönen Ford Taunus, einen C-Kadett und eine Zeitlang habe ich mir einen Käfer geteilt.

     

     

     

     

     

Veröffentlicht unter Allgemein, Griechenland | Verschlagwortet mit | 1 Kommentar

Der Moment zwischen zwei Gedanken

Während meiner Diplomzeit in Bremen und später auch in meinen ersten Aachen-Jahren, traf ich mich einmal pro Woche zur Zen-Sitzmeditation. Für diejenigen die das nicht kennen: Bei der Sitz-Meditation sitzt man, sonst nichts. Hört sich einfacher an als es ist. Die Herausforderung ist nämlich nicht das „Sitzen“ sondern das „sonst nichts“. Ziel ist es, die vielen Gedanken, die uns im Alltag beherrschen, einmal zur Ruhe kommen zu lassen. Ich bin ein klassischer Kopfkino-Kandidat. Ständig und immer laufen Bilder und Filme vor meinem inneren Auge ab. Manchmal warten sie mit wichtigen Erkenntnissen auf, bieten hilfreiche Ansätze zur Lösung eines Problems oder bereichern mich mit einer guten Idee. Viel zu oft allerdings – und vor allem in den Momenten, in denen ich mich eigentlich ausruhen möchte – sind sie lästig. Ungefähr so wie die Werbepausen im Fernsehen: Ich muss noch Milch kaufen, Mülltüten nicht vergessen, das Auto sieht aus wie Sau…

Ziel der Meditation ist es nun, den Film zu unterbrechen, „Pause“ drücken. Die „Pause-Taste“ finde ich in dem Moment der Stille zwischen zwei Gedanken. Nachdem ein Gedanke endete und bevor noch der nächste begonnen hat. Anfangs ist dieser Moment kaum wahrnehmbar und schon gar nicht greifbar. Ein Bruchteil einer Sekunde. Mit Konzentration und Übung gelingt es, diesen Moment zu halten und zu verlängern. Eine Sekunde, zwei, drei und so weiter. Dieser Augenblick der Stille ist erholsam, klärt und ordnet. Und er holt mich aus der Ferne des Gedankenschwalls zurück in die Gegenwart.

Wenn ich unsere Reise mit einer Zen-Meditationssitzung vergleiche, dann ist dies gerade der Moment zwischen zwei Gedanken. Der Film hat angehalten, diesmal jedoch wollte ich das gar nicht. Ich hänge hier fest, weil die Reisepässe nicht ankommen. Dabei brenne ich darauf zu erfahren, wie der Film, wie unsere Reise weitergeht. Es macht mich nervös, weil ich denke, ich könnte etwas versäumen, etwas verpassen, weil die Zeit knapp wird. Aber was sollte das sein? Die Meteora-Klöster in Griechenland? Die antiken Ausgrabungen Trojas in der Türkei? Ich glaube viel fataler wäre es, wenn ich vor lauter Ungeduld und Gedanken an die Weiterreise das Hier und Jetzt, die Gegenwart versäumen würde. In der Auszeit von der Auszeit mache ich zwar keine Kilometer, erreiche keine neuen Länder. Dafür gibt sie mir die Gelegenheit, mich von der stetigen Veränderung der Reise auszuruhen. Und mich mit wirklich netten Menschen an schönen Orten auszutauschen. „Die Familie ist wieder zusammen“, sagte heute Efi, als sie mit Nikos und Dimitris am Karathona-Beach ankam, wo wir, Andreas und Georgia schon auf sie warteten.

Gestern haben wir übrigens von unserem russischen Reisebüro in Aachen erfahren, dass unsere Reisepässe auf dem Weg nach Griechenland sind. Meditation hin oder her – auf die Weiterreise freu ich mich jetzt doch.

Veröffentlicht unter Allgemein, Griechenland | Verschlagwortet mit | Hinterlasse einen Kommentar