Die Straße hat uns wieder

Ich sitze in der heißen Frühlingssonne vor unserem Bus. 950 Meter unter mir befindet sich der Ort Litochoron und gleich dahinter beginnt das Meer. Aber ich blicke bloß auf eine geschlossene Wolkendecke, auf ein Wolkenmeer. Dort unten, am Fuße des Olymps, ist es jetzt sicher grau und diesig. Hier oben trübt dagegen keine einzige Wolke den stahlblauen Himmel. Karsten hat sich heute früh um sieben Uhr aufgemacht, einen der drei Gipfel des Olymps zu besteigen. Ich bleibe mit Loukas im Basislager und koche schon mal das Bergsteiger-Menü. Mit Hund sind lange Bergtouren erst einmal nicht möglich. Schließlich können wir ihm schlecht den Kühlschrank füllen und einen Schlüssel um den Hals hängen. Mir macht das heute aber nicht so viel aus. Ich bin im Schnee eh zu langsam, um den  Gipfel auf knapp 2.900 Meter an einem Tag zu schaffen. Dafür haben wir gestern eine ausgiebige Schneewanderung durch den Olymp-Nationalpark mit immerhin 1.000 Höhenmetern gemacht. Loukas, der seinen ersten richtigen Schneekontakt hatte, war erst unersättlich und dann völlig platt. Nach der Pause hat er sich dann ohne Protest im Rucksack tragen lassen und den Rest der Wanderung aus dem Kinosessel genossen.

       

Bevor wir hierher kamen waren wir im Landesinneren bei den Meteora-Klöstern. Das UNESCO-Weltkulturerbe wurde uns immer wieder wärmstens empfohlen. Ein schöner Flecken Erde. Die Felsformationen erinnern mich an den Nationalpark Sächsische Schweiz. Nur eben mit Klöstern. Bereits im neunten Jahrhundert ließen sich hier Eremiten nieder. Im 13. Jahrhundert errichteten dann Mönche die ersten Klöster auf den etwa 500 Meter hohen Felsen. In Körben hieften sie sich und das Material hoch und wieder hinunter. Die Abgeschiedenheit zwischen Himmel und Erde muss ein wahrhaft karges Leben bedeutet haben.

Wenngleich ich von den Felsformationen beeindruckt war, finde ich, dass mein Reiseführer übertreibt wenn er schreibt: „Zweifellos nicht nur eine der schönsten Landschaften Griechenlands, sondern der ganzen Welt!“ Dafür ist hier viel zu viel los. Tausende Touristen besuchen den Ort das ganze Jahr über. Souvenirstände säumen den Weg zu den Klöstern. Wahrscheinlich leben deswegen heute nur noch wenige Gottesdiener hier. Im Sommer sollen gar Studenten in Kutten als Mönch-Statisten für ein wenig Authentizität sorgen. Keine Ahnung, ob das stimmt. Die Häuser selbst sind restauriert und fein rausgeputzt. Wandmalereien erinnern an christliche Märtyrer, die wegen ihres Glaubens von muslimischen Besatzern gefoltert und getötet wurden. Ausgestellt sind zudem Waffen, Kriegsbilder und Menschenschädel. Ein schönes Erlebnis hatte ich dagegen, als ich kurz nach Sonnenaufgang mit Loukas bis an die Pforte eines Nonnenklosters wanderte, und ihren morgendlichen Lobgesang in der kühlen Stille lauschen konnte.

  

Übernachtet haben wir an einem Aussichtspunkt, wo wir Jemma und Ben aus Neuseeland kennen lernten. Mit Rucksack und Flugzeug reisen sie ein halbes Jahr lang um die Welt. Auch Werner und Ursula aus Süddeutschland haben wir wieder getroffen. Die Meteora-Klöster waren nach drei Monaten Griechenland die letzte Station vor ihrem Heimweg.

  

Fünf Tage zuvor waren wir von Korinth nach Thermopyles aufgebrochen. Die Nachtfahrt von Korinth durch die Berge überraschte uns mit Schnee. Wir wähnten uns schon die Nacht auf dem Berg festsitzen – schließlich sind wir mit Sommerreifen unterwegs. Als plötzlich, nachts um zwei Uhr, aus dem Nichts, ein Schneeräumer auftauchte und uns den Weg zu den heißen Quellen ebnete. Zwei Tage schlechten Wetters verharrten wir dort. Um dann gemeinsam mit Margarete bei 25 Grad und Sonne zu den Meteora-Klöstern aufzubrechen.

  

In Korinth hatten wir zuvor vergeblich auf unsere Reisepässe gewartet. So konnten wir mit Efi und Nikos im Jugendzentrum um die Ecke einen ziemlich schrägen Film aus den 70ern schauen: Sweet Movie von Dusan Makavejev. Die Atmosphäre in dem Laden war toll und wir hatten noch einen geselligen Abend. Da das Zentrum keine Konzession als Bar hat, gab es den ganzen Abend Getränke umsonst. Und bevor wir gingen, konnten wir so viel spenden wie wir dachten, dass die Getränke es wert waren. Loukas hat dann kurz vor unserer Abfahrt auch noch eine Fußballmannschaft aufgemischt.

       

Unsere Pässe sind übrigens derweil wirklich und wahrhaftig bei Freunden von Efi und Nikos in Thessaloniki angekommen. Morgen früh holen wir sie ab, um dann rubbeldiekatz in die Türkei aufzubrechen. Die Straße hat uns wieder!

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Griechenland, Wandern, Klettern, Bergsteigen abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Ein Kommentar zu Die Straße hat uns wieder

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.