Der Moment zwischen zwei Gedanken

Während meiner Diplomzeit in Bremen und später auch in meinen ersten Aachen-Jahren, traf ich mich einmal pro Woche zur Zen-Sitzmeditation. Für diejenigen die das nicht kennen: Bei der Sitz-Meditation sitzt man, sonst nichts. Hört sich einfacher an als es ist. Die Herausforderung ist nämlich nicht das „Sitzen“ sondern das „sonst nichts“. Ziel ist es, die vielen Gedanken, die uns im Alltag beherrschen, einmal zur Ruhe kommen zu lassen. Ich bin ein klassischer Kopfkino-Kandidat. Ständig und immer laufen Bilder und Filme vor meinem inneren Auge ab. Manchmal warten sie mit wichtigen Erkenntnissen auf, bieten hilfreiche Ansätze zur Lösung eines Problems oder bereichern mich mit einer guten Idee. Viel zu oft allerdings – und vor allem in den Momenten, in denen ich mich eigentlich ausruhen möchte – sind sie lästig. Ungefähr so wie die Werbepausen im Fernsehen: Ich muss noch Milch kaufen, Mülltüten nicht vergessen, das Auto sieht aus wie Sau…

Ziel der Meditation ist es nun, den Film zu unterbrechen, „Pause“ drücken. Die „Pause-Taste“ finde ich in dem Moment der Stille zwischen zwei Gedanken. Nachdem ein Gedanke endete und bevor noch der nächste begonnen hat. Anfangs ist dieser Moment kaum wahrnehmbar und schon gar nicht greifbar. Ein Bruchteil einer Sekunde. Mit Konzentration und Übung gelingt es, diesen Moment zu halten und zu verlängern. Eine Sekunde, zwei, drei und so weiter. Dieser Augenblick der Stille ist erholsam, klärt und ordnet. Und er holt mich aus der Ferne des Gedankenschwalls zurück in die Gegenwart.

Wenn ich unsere Reise mit einer Zen-Meditationssitzung vergleiche, dann ist dies gerade der Moment zwischen zwei Gedanken. Der Film hat angehalten, diesmal jedoch wollte ich das gar nicht. Ich hänge hier fest, weil die Reisepässe nicht ankommen. Dabei brenne ich darauf zu erfahren, wie der Film, wie unsere Reise weitergeht. Es macht mich nervös, weil ich denke, ich könnte etwas versäumen, etwas verpassen, weil die Zeit knapp wird. Aber was sollte das sein? Die Meteora-Klöster in Griechenland? Die antiken Ausgrabungen Trojas in der Türkei? Ich glaube viel fataler wäre es, wenn ich vor lauter Ungeduld und Gedanken an die Weiterreise das Hier und Jetzt, die Gegenwart versäumen würde. In der Auszeit von der Auszeit mache ich zwar keine Kilometer, erreiche keine neuen Länder. Dafür gibt sie mir die Gelegenheit, mich von der stetigen Veränderung der Reise auszuruhen. Und mich mit wirklich netten Menschen an schönen Orten auszutauschen. „Die Familie ist wieder zusammen“, sagte heute Efi, als sie mit Nikos und Dimitris am Karathona-Beach ankam, wo wir, Andreas und Georgia schon auf sie warteten.

Gestern haben wir übrigens von unserem russischen Reisebüro in Aachen erfahren, dass unsere Reisepässe auf dem Weg nach Griechenland sind. Meditation hin oder her – auf die Weiterreise freu ich mich jetzt doch.

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