Raketenbasis Songkulur

Ein besonderes Highlight der Reise war der Besuch der Raketenbasis Songkulur in Zentralkirgisien. Sie liegt direkt neben einem Hochgebirgssee, der zufällig ähnlich benannt ist.

Auf dem Weg dorthin mussten wir diverse formale Hürden nehmen. Hier ein Verkehrspolizist, der uns 40 km/h für 83 verkaufen wollte. Jedenfalls zeigte dies sein Radargerät an, das er nach der vorhergehenden Geschwindigkeitsprüfung nicht zurückgestellt hatte. Wir einigten uns dann auf geschätzte 58 km/h. Ein unfairer Handel, der uns jedoch für 5 Euro ein schnelleres Weiterkommen einbrachte. Das Bild wurde mit einer speziellen Spionagetechnik aufgenommen und hat daher eine verminderte Qualität.

Im weiteren Verlauf entdeckten wir auf einer Anhöhe die ersten Anzeichen kosmonautischer Aktivitäten. Neben unserem abhebebereiten LT sieht man die Halle eines frühen Spaceshuttles und im zweiten Bild einen Kosmonauten, der gerade von einer Mission zurückkehrt.

 

Zwei Tage und zwei Nächte dauerte die Reise zu der Basis. Wir schliefen an Gebirgsbächen und auf offenen Wiesen, wärmten uns am Lagerfeuer, passierten lange Passstraßen und mussten wegen des suboptimalen Fahrbahnbelags Reparaturen an unserem geländeerprobten Gefährt vornehmen lassen.

     

Unterwegs trafen wir den ehemaligen Kosmonauten Uri Gagari, der uns den Weg erklärte und mich mit einem „Heil Hitler, heil Karsten!“ verabschiedete. Zudem verglich er mich mit dem frühen Tarzanschauspieler Johnny Weissmüller. Für letzteres fühlte ich mich ein wenig geschmeichelt, da er bekannterweise seinen Körper auch durch Schwimmen stählte.

Land und Leute zeigten sich auf der Fahrt zum Trost für die Strapazen der Reise von ihrer besten Seite.

     

Dann endlich, nach einer grenzwertigen Steigung auf astronomische Höhen, erreichten wir die Weltraumstation und sahen die ersten Raketen: Stahlkonstruktionen, die jeder kosmischer Strahlung standhalten konnten, sowie frühe, familientaugliche Anfertigungen aus etwas minderwertigerem Material.

     

Hier sieht man eine einsitzige sowie eine mehrsitzige Raumkapsel von innen:

 

Die Raketenbasis in der Totale, Weltraumschrott, Testraketen und die Raketenkuh Leika, die unseren Hund auf die Plätze verweist:

     

Die allgemeine Pionierstimmung ließ auch uns vom Griff nach den Sternen träumen. Wir überlegten uns Konzepte, wie wir unserer Bewerbung als Kosmonauten eine originelle Note verleihen konnten. Zum Beispiel „Steinzeitmensch und Großwildjäger im Weltraum“…

… oder „Eine schrecklich nette Weltraumfamilie“.

Doch unsere Bewerbung wurde abgelehnt. Einzig den Hund hätten sie genommen, der sich unverhohlen auf jedes Bewerbungsfoto geschlichen hatte.

Wir begnügten uns mit dem Touristenprogramm, aßen typische Kosmonautenmahlzeiten und sahen der Vorbereitung eines Testtieres für einen Flug zu.

     

Hier übrigens zwei Bewerber, die es in die erste Runde des Aufnahmeprogrammes geschafft hatten. Fabienne und Rudi aus der Schweiz hatten sich allein dadurch qualifiziert, dass sie mit dem Fahrrad angereist waren. Hut ab! Da konnten wir nicht mitstinken. Ihr Programm begann mit einer Testfahrt auf den neuen Marsrovern.

Wir strichen die Segel und begaben uns auf den langen Weg vom Weltraumbahnhof hinab ins schnöde Tal. In einer nahegelegen Apotheke deckten wir uns mit tröstenden Psychopharmaka ein und kauften im Antidepressivarausch einen vermeintlich fliegenden Teppich, dessen Bedienungsanleitung wir allerdings nicht lesen können. Jetzt liegt er einfach nur rum, der öde Teppich.

 

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Passfoto

Die Moggas sind gelandet und wurden von uns direkt auf 3.100 Meter geschraubt. Wir sind auf dem Weg zum Song Kul und werden heute hoffentlich dort ankommen. Inshallah und Insh LT 28. Mein Morgengebet war ausrücklich an den Gott der Motorleistung gerichtet.

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Der lauteste Berg im Tien Chan

Nachdem Radek mit seinem Freund Marek nach Bischkek gefahren war, um ihn dort zu verabschieden, kam er wieder zurück zu unserem Standplatz am Issyk Kul. Marek hat im Gegensatz zu Radek, der seinen Job als Bauleiter komplett gekündigt hat und mehr als ein Jahr reisen will, nur zwei Monate Urlaub genommen. Wir waren in der Zwischenzeit auf einem Touri-Festival am Song Kul gewesen und kamen zeitgleich mit Radek wieder am Issyk Kul an.

Als Kletterer und Bergsteiger war Radek genauso fasziniert von dem Gedanken, einen richtig hohen Berg zu besteigen, wie ich. Also bemühten wir alle Karten, die wir in unserem Basislager am See zur Verfügung hatten, und Google Maps, um einen entsprechenden Berg in der Gegend zu finden. Das Basislager bestand aus Haimo und Mariolein, die wir zuerst in Almaty getroffen hatten, mit ihrem allradgetriebenen Mitsubishi L300, Radek mit seiner Honda Africa Twin und kurzfristig auch aus Petra, Mustafa und Jonas aus Deutschland, die mit ihrem Pickup noch nach China und Südostasien wollen (www.home.vr-web.de/fernweh, www.dersonnenentgegen.blogspot.de). Für eine Nacht gesellte sich noch Pedro, ein gebürtiger Spanier aus der Schweiz, mit seiner Yamaha XT 600 hinzu. Trotz Kamerainflation fehlen leider entsprechende Fotos.

 

Nach kurzer Zeit stand fest: Wenn wir in einem Tagesmarsch auf einen 5.000er wollten, dann brauchten wir eine hohe Ausgangsposition. Die Straße zur Goldmine, die sich auf fast 4.000 Metern befand, fiel ins Auge wie ein Zaunpfahl. 15 km nördlich der Mine lag ein Berg mit über 5.200 und 10 km südlich einer mit 5.139 Metern. Da wir nicht wussten, wie nah wir an die Mine heranfahren konnten, wählten wir den südlichen Gipfel aus, den ich jetzt in Ermanglung des richtigen Namens Pik Goldmine nenne. Die Karte zeigte eine Abzweigung der Straße zur Goldmine. Diese Abzweigung führte südlich an Pik Goldmine heran. Die Koordinaten des Gipfels lauten: 41.821127,78.201238.

Am Mittwoch, den 15. August, brachen dann Haimo und Mariolein mit Sylvia und Loukas in ihrem Auto, Radek auf seiner Africa Twin und ich auf der BMW auf, um das entsprechende Höhenlager zu finden. Die Schranke, an der wir Tage zuvor noch jeder 50 Som abdrücken mussten, war nicht besetzt, und so war unser Konvoi in kurzer Zeit auf einer Hochebene von ca. 3.700 Metern. Wir bogen wie geplant von der Straße zur Goldmine ab und querten den Pass auf 4.000 Metern, den Radek, Marek und ich bereits mit den Motorrädern befahren hatten.

     

Kurz hinter dem Pass kam zunächst eine Furt über einen kleinen Bach, und dann war die Straße durch einen breiten Gletscherbach unterbrochen. Auf der Suche nach einem Übergang trafen wir einen Halbnomaden, der uns das Melken seiner Stute vorführte. Er erklärte uns, wir müssten bis zur Goldmine fahren und kurz vorher abbiegen. Dann käme eine Brücke.

     

Also zurück über den Pass ins Nachbartal und trotz einschränkender Beschilderung weiter auf der Straße zur Mine. Tatsächlich kamen kurz vor der Mine eine Abzweigung und wenig später auch die Brücke über den Gletscherbach. Dort fanden wir auch unser Nachtlager, zufällig genau am nordwestlichen Fuße des Pik Goldmine.

     

Die Nacht auf 3.700 Höhenmetern wurde kalt, und am nächsten Morgen zierte Eis unsere Zelte. Radek und ich brachen um sechs Uhr auf. Die Sonne war bereits auf den ersten Gipfeln zu sehen. In dreieinhalb Stunden quälten wir uns quer über ein riesiges Geröllfeld auf den ersten Grat. Die Entfernungen im Hochgebirge kann man leicht unterschätzen.

     

Auf der anderen Seite des Grates überquerten wir ein großes Gletscherfeld, dessen unteres Ende in die Goldmine mündete. Deutlich konnte man jetzt die Abbauarbeiten und Sprengungen hören. Mit immensem Aufwand wird ein ganzer Berg abgetragen und durch den Fleischwolf gedreht. Die Mine trägt 16 % zum Gesamteinkommen des Landes bei.

     

Für das Gletscherfeld und das Erklimmen eines weiteren Grates mit einer kurzen Kletterpassage (ca. sieben Meter, Schwierigkeit II-III) benötigten wir weitere eineinhalb Stunden. Nun war es bereits elf Uhr und der Gipfel noch immer 600 Höhenmeter entfernt. Ein steiles 300 Höhenmeter fassendes Schneefeld zu einem Vorgipfel bezwangen wir in etwas mehr als einer Stunde. Nun machte sich unsere etwas unterdimensionierte Ausrüstung bemerkbar. Radek war in Motorradstiefeln unterwegs und mit meinem Eispickel bewaffnet. Ich hatte meine Bruce-Willis-Wanderstiefel angezogen und zwei Wanderstöcke in den Händen. Zudem hatten wir Klettergurte umgeschnallt und waren mit einem 20-Meter-Seil gesichert. Doch der weiche Schnee erlaubte uns, Stufen zu schlagen.

     

Auf dem Vorgipfel auf 4.800 Metern war dann klar, dass dieser für uns die Endstation bedeutete. Die letzten 300 Höhenmeter verliefen über einen schmalen, ausgesetzten Grat, der auch noch mit einem Schneeüberhang versehen war. Um diesen sicher zu gehen, hätten wir früher hier sein müssen. Der Schnee war um die Mittagszeit bereits zu weich, und es bestand die Gefahr, dass der Überhang abricht. Zudem hätten wir beide Steigeisen und Eispickel benötigt. Hinzu kamen unsere Erschöpfung und der Ausblick auf den langen Rückweg.

 

Also machten wir die obligatorischen Gipfelfotos. In der Ferne konnten wir den anderen 5.000er nördlich der Goldmine erkennen. In südlicher Richtung sahen wir die Bergkette, welche die Grenze zu China markierte.

     

     

Der Rückweg bis zum großen Geröllfeld verlief zügig. Auf dieser Höhe ist der Kontrast von bergauf zu bergab aufgrund des mangelnden Sauerstoffs riesig. An einigen Stellen waren wir dreimal so schnell unterwegs wie auf dem Hinweg. Statt das Geröllfeld wie beim Aufstieg längs zu queren, stiegen wir es einfach bis zu dem weiter unten parallel verlaufenden Gletscher ab und gingen auf dem spaltenfreien Gletscherfeld zurück.

     

Gegen 16.30 Uhr erreichten wir unser Übernachtungslager und trafen Sylvia, Haimo, Mariolein und Loukas, die auch gerade von einer Wanderung zum Gletscher zurückgekommen waren. Wir bauten unser Lager ab und fuhren die Goldminenstraße hinunter ins Tal, wo unser Bus auf uns wartete.

     

Für mich war das der höchste Berg auf dieser Reise. Richtig hoch war er nun auch wieder nicht, doch gemessen an unserer Vorbereitung und Ausrüstung schon ein kleines Glanzstück. Zumindest ist mir nun klar, wie das Hochgebirge funktioniert. Alles ist etwas größer, so dass man mehr Zeit und Übernachtungen im Zelt einplanen muss. Und die Seilschaft mit Radek war optimal, was einen weiteren Versuch in mittelbarer Zukunft in Aussicht stellt.

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Nomaden-Festival am Song-Kul

„Übermorgen ist am Song-Kul ein Nomaden-Festival“, bemerke ich nach einem Blick auf die Homepage der kirgisischen Ökotourismusorganisation Community Based Tourism. Der Song-Kul liegt mit rund 3.000 Metern noch ein ganzes Stück höher als der Issyk-Kul. Bodenfrost gibt es hier fast das ganze Jahr. In den wenigen warmen Sommermonaten lassen sich an seinen Ufern Halbnomaden nieder. Ihre Pferde-, Schaf- und Kuhherden weiden hier, bis die Familie vor Einbruch des Winters wieder in ihre tiefer gelegenen Domizile wandert. Das Festival begleitet den Abzug einer Nomadenfamilie mit Reiterspielen, Musik, Abbau einer Jurte, Packen der Kamele, Zusammentreiben der Herde, Abzug der Familie. So lockt das Programm. Eintritt: 650 Com (11,20 €) inklusive Mittagessen.

Wir sitzen in der Sonne am Strand des Issyk-Kul. Neben mir schmöckert Haimo in einem Reiseführer. Ihn und seine Frau Mariolein hatten wir schon im Ile-Alatau-Nationalpark getroffen. „Das wäre schon interessant“, meint er. Aber der Song-Kul ist auch mal eben 250 Kilometer entfernt. Auf hiesigen Straßen inklusive eines 3.300-Meter-Passes für unser Gespann kein Pappenstiel. Da wird wohl ein ganzer Tag bei draufgehen…. Aber wenn wir schon mal in der Nähe sind, sollten wir so eine Gelegenheit mitnehmen. Der Gedanke ist kaum ausgedacht, als ein roter Pick-up auf uns zukommt und einige Meter vor uns parkt. Drin sitzen Mustafa, seine Frau Petra und ihr fünfjähriger Sohn Jonas aus dem Allgäu. Sie haben spontan ihre Kirgistan-Reisepläne umgeworfen, weil sie von einem Festival am Song-Kul gehört haben… da wollen sie jetzt hin.

Okay. Wir sind dabei. Am Samstag – dem Tag vor dem Festival – fährt die Familie aus dem Allgäu schon mal vor. Mariolein, Haimo, Karsten und ich lassen uns ein wenig mehr Zeit: Ein Bad im See, Frühstück, Benzin und Wasser tanken, einkaufen. Wir sind keine 50 Kilometer gefahren, als Mariolein vorschlägt: „Wollen wir vielleicht noch den Salz-See anschauen?“ Dieser kleine See liegt neben dem Issyk-Kul und ist so salzig, dass man sich wie im toten Meer darauf treiben lassen kann. Karsten und ich hatten auf dem Hinweg darauf verzichtet, weil eine zwölf Kilometer lange Huckelpiste zwischen Straße und See liegt. Mit unserem Gespann kaum zu bewältigen. Aber mit ihrem Mitsubishi L300 Allrad kein Problem. Wir lassen das Gespann in der Nähe der Straße stehen und fahren zu fünft mit dem Offroad-Wunder. Fast eine Stunde brauchen wir trotzdem. Am Salzsee überrascht eine intakte touristische Infrastruktur: Jurten mit Restaurants, Einkaufsläden, Übernachtungsmöglichkeiten, Massagen und Schlammpackungen. Das Salzsee-Erlebnis macht uns allen viel Spaß. Lediglich der wasserscheue Loukas liegt zerknirscht unter dem Auto und hofft inständig, dass nicht irgendwer auf die blöde Idee kommt, ihn reinzuwerfen.

       

Knapp zwei Stunden später sitzen wir wieder in unserem Bus. Es ist bereits früher Nachmittag und wir haben noch 200 Kilometer und zwei Pässe vor uns. Die Straßen werden schlechter. 100 Kilometer vor dem Song-Kul gibt es nur noch Schotterpisten. Der erste Pass ist noch nicht ganz so hoch, aber doch an einer Stelle so steil, dass der Bus schlapp macht. Haimo schlägt vor, dass er unseren Hänger nimmt. Aber Karsten will es nochmal versuchen. Er schaltet auf Autogas um (wir fahren trotz schlechterer Leistung in Kirgistan auf Benzin, weil wir noch keine Gas-Tankstelle entdeckt haben) und versucht die Steigung im ersten Gang. Der Bus kriegt die Kurve und auf dem Pass werden wir mit einem wunderschönen Sonnenuntergang belohnt. Bergab geht es einfacher. Doch plötzlich rutscht der Bus auf dem Schotter und Karsten kann nicht mehr lenken. Das Rad vorne links hat sich quer gestellt. Bei einer Reparatur in Baikonur haben die Mechaniker offensichtlich die Mutter an der Spurstange nicht richtig festgezogen, so dass sie nun rausgerutscht ist. Karsten repariert ad hoc und weiter geht´s. Mariolein und Haimo witzeln: „Na, mit euch unterwegs zu sein ist ja richtig abenteuerlich“. Heute schaffen wir es nicht mehr bis zum Song-Kul. Nach Einbruch der Dunkelheit zu fahren ist hier einfach zu gefährlich. 80 Kilometer vor unserem Ziel finden wir einen hübschen Standplatz auf einer Wiese neben einem kleinen Fluss.

     

Am Festival-Morgen brechen wir zeitig auf. Schon am Fuße des 3.300-Meter-Passes vor dem See kann unser Gespann nicht mehr. Die Straße ist definitiv zu steil. Haimo bietet wieder an, den Hänger zu nehmen. Diesmal nehmen wir sein Angebot an. Selbst ohne Hänger läuft der Bus im ersten Gang an seinen Grenzen. Auf der Passstraße treffen wir auf einen liegengebliebenen Lada. Der Bitte des Fahrers, ihn abzuschleppen, können wir bei bestem Willen nicht nachkommen.

  

Als wir den Gipfel des Passes erreichen, feiern wir. Danach geht es leichtfüßig weiter. Lediglich die Oberfläche der Piste ist weiter anstrengend: Es ruckelt ordentlich, feiner Staub kommt durch jede Ritze und legt sich wie ein Schleier auf Mensch und Inventar. Wir sehen die ersten Nomadenfamilien auf der weiten Grasfläche siedeln. Aus ihren Jurten qualmen die Rauchabzüge. Viele Nomaden nehmen mittlerweile Touristen in ihren Jurten auf. Das Hotel bleibt jedoch einzigartig.

  

Zwei europäisch aussehende Mädels stehen am Weg und winken. Silke aus Österreich und ihre Freundin aus Frankreich möchten auch zum Festival, dorthin sind es aber noch schlappe 40 Kilometer um den See herum. Weil unser LT mehr Platz bietet als der Mitsubishi, nehmen wir sie mit. Die beiden reisen allein. Sind mit dem Rucksack, mit öffentlichen Verkehrsmitteln und per Anhalter unterwegs. In China haben sie sich kennengelernt und reisen jetzt eine Weile gemeinsam.

Gegen 11 Uhr erreichen wir das Festival. Wir sehen ein paar Jurten, Pferde und Reiter, Kinder in Trachten und etwa 150 Touristen. Mit bunter Outdoor-Kleidung, Kopftücher und Käppis, mit Kameras und schweren Teleobjektiven passen sie in dieses Szenario wie ein Flusskrebs in die Wüste. Wir sehen das Reisemobil von Mustafa und Petra und parken daneben. Jetzt wird es etwas turbulent. Die geschäftstüchtige Familienmutti kommt und kassiert den Eintritt. Mustafa, Petra und Jonas begrüßen uns. Überall wirbeln Leute um uns herum. Die Reiterspiele haben schon begonnen. Wir sehen Colette und Michel aus Frankreich, die wir kurz nach der Grenzüberfahrt in Kirgistan zum ersten Mal getroffen haben.

Die Reiterspiele sind spannend, brutal, ernst gemeint. Die Regel: Es gibt zwei Teams. Jedes Team besteht aus zwei Reitern. Ein totes Schaf wird auf in einer Distanz von etwa 50 Metern auf den Boden gelegt. Auf Kommando reiten die Spieler los, ergreifen das tote Schaf, ringen darum. Gerten klatschen, Pferdekörper krachen gegeneinander, Hufen poltern. Die Gesichter der Spieler sind angestrengt und konzentriert. Es gewinnt das Team, das das Schaf ins Ziel bringt. Die Reiterspiele animieren zur Nachahmung. Ein kirgisischer Junge spielt Pferdchen mit Loukas. Dann findet Loukas ein gleichgesinntes Nomadenwelpen. Ihr inniges Spiel lenkt die Aufmerksamkeit der europäischen Touristen kurzzeitig von den Reiterspielen ab. Loukas wird „der bunte Hund“ des Festivals. Kaum jemand kennt nicht seinen Namen. Einen Tag später werden wir Radtouristen treffen die uns begrüßen mit „we know Loukas!“. Und im CBT-Büro von Kočkor, etwa 100 Kilometer entfernt, wird uns ein Franzose ansprechen mit den Worten: „Oh, this ist the famous greek dog from the festival in Song-Kul“.

       

     

  

Nach den Reiterspielen gibt es Lunch. Serviert wird Brühe mit Hammelfleisch, Plov – das ist Reis mit Hammelfleisch –, Fettgebäck, Fladenbrot. Die Speisen sind köstlich. Fast alle. Ich muss lachen, als Karsten lustvoll ein Kurt-Bällchen verschlingt, weil er es für eine Süßigkeit hält. Kurt sind kleine harte saure Käsebällchen aus Stutenmilch. Um uns herum plaudern Engländer, Franzosen, Italiener, Deutsche, Österreicher über ihre Reispläne. Die Atmosphäre ist geschmeidig, lebhaft, international.

  

Nach dem Essen verkürzen die Veranstalter das Programm: Das Abbauen der Jurte wird übersprungen und dafür gleich das Kamel gepackt. Das Vieh wird einfach gelassen wo es ist und die Nomadenfamilie inszeniert den Auszug von der Sommerweide zu Pferd. Die beiden Musikstücke mit dem Akkordeon haben Karsten und ich leider wegen eines Spaziergangs zum See verpasst. Dafür sehen wir einen Haufen Viehdung, mit dem die Jurten geheizt werden, ein Klo in der endlosen Weite, den LKW der Nomadenfamilie und eine Engländerin, die mit einem Kalb Freundschaft schließen will.

       

       

Gegen Abend ziehen wir weiter. Gemeinsam mit Mariolein, Haimo, Colette und Michele finden wir einen Kilometer weiter einen Standplatz. Der Wodka steht schon auf dem Tisch als der Besitzer einer unweit gelegenen Jurte 500 Com von uns für die Nacht haben möchte. Er erzählt etwas von Pacht für das Weideland und Abgaben an die Gemeinde für Touristen. Ob seine Geschichte wahr ist, wissen wir nicht. Wir handeln auf 300 Com runter, also 1,72 Euro pro Gefährt. Der nächste Tag am Song-Kul beginnt zauberhaft. Die Weite verschluckt jedes Geräusch. Die getriebenen Pferdeherden nehme ich als Stummfilm wahr. Heimo meint, es sähe hier aus wie in der Mongolei. Er muss es wissen, er war schon einmal dort. Nach dem Frühstück verabschieden wir vier die beiden Franzosen und machen uns wieder auf den „Heimweg“ zum Issyk-Kul.

  

Wir probieren eine neue Route, die Mensch und Material viel abverlangt. Höhepunkt war die Umfahrung einer Baustelle in zentimetertiefem Feinstaub.

Wir fahren weiter durch Täler in denen Nomaden ihre Sommerlager aufgeschlagen haben, durch Dörfer mit Häusern aus Lehm und machen einen Stop in Kotschkor. In einem Laden für Kunsthandwerk kaufen Mariolein und Haimo einen gefilzten Teppich.

       

Erst spät am Abend, gegen 22 Uhr erreichen wir unseren Standplatz. Hier wartet auch schon Radek aus Polen auf uns. Er hat in den letzten zwei Tagen seinen Freund Marek mit dem Motorrad nach Bischkek begleitet. Er reist nun alleine weiter und wird die nächsten Tage mit uns verbringen… und vielleicht mit Karsten einen 5.000er besteigen.

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Gold!

Oder vielleicht doch nur Silber? Auf jeden Fall glänzende Einschlüsse im Gestein. Für einen kurzen Moment war ich dem Gedanken verfallen, dass ein alter Kindheitstraum von mir in Erfüllung ginge und ich doch noch so reich werden würde wie Dagobert Duck. Doch leider waren wir zu spät. Die Kanadier hatten sich das Geschäft bereits unter den Nagel gerissen.

Als unser kleiner Erkundungstrupp, bestehend aus Radek, Marek und mir, auf einem 4.000 Meter hohen Pass die edlen Metalle entdeckte, waren wir uns schon bewusst, dass wir wahrscheinlich keine Chance hätten, die Schürfrechte zu erwerben.

     

Es gab auf dem Weg zu deutliche Anzeichen für bereits getätigte Investitionen: ausgebaute Straßen, Versorgung mit Elektrizität, Transportmittel und sogar Security mit Kampffliegern.

     

Es war eh fraglich, ob uns die Sparkasse in der derzeitigen Finanzkrise kurzfristig einen Kredit gewährt hätte.

In einem Moment letzter Hoffnung erwogen wir noch, einen Kampfflieger der Security zu entwenden und uns die Goldmine der Kanadier mit Gewalt im G.W. Bush-Stil unter den Nagel zu reißen. Mit einer Portion Phantasie und Ambitionen auf einen Spin-Doktortitel hatte ich mir bereits die Rechtfertigung für diesen Präventivschlag für die Öffentlichkeit zurecht gelegt: Deutsch-polnische Allianz der Willigen rettet das kirgisische Volk vor einer Invasion sexsüchtiger kanadischer Bergwerksingenieure. Doch leider steckte der Zündschlüssel nicht, und keiner von uns wusste, wie man eine solche Kiste kurzschließt.

     

Einfach zu schade! In tagelanger Vorbereitung hatten wir Pläne zur Erkundung des Abbaugebiets ausgearbeitet und die Bevölkerung auf unsere Seite gebracht.

     

Nun müssen wir doch nach Deutschland zurückkehren und unsere Existenz mit unserer Hände Arbeit sichern.

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Issi(k) cool!

Dieser für Außenstehende vielleicht etwas fantasielos anmutende Kalauer, amüsiert uns derzeit prächtig. Seit zwei Tagen issi(k) alles irgendwas: cool, weit, nah, schnell, teuer, issi(k) günstig… Quell unserer Freude (und des Kalauers) ist der Issyk-Kul, mit 180 x 52 Kilometern der zweitgrößte Hochgebirgssee der Welt. Dieser liegt seit einigen Stunden zu unseren Füßen. Obwohl ich seine Maße kannte, hatte ich mir nicht ausmalen können, wie groß er wirklich ist. Er ist wirklich unglaublich groß…

Der See gehört zum Biosphärenreservat Issyk-Kul. 500 Com (ca. 8,50 €) Ökosteuer kostet die Einfahrt. Für hiesige Verhältnisse vermutlich kein Pappenstiel. Wenn ich vergleiche: Habe gestern auf dem Markt in Bischkek für den gleichen Preis 1 kg Tomaten, 1 kg Paprika, 2 Brote (gelagert in einem 60er Jahre Kinderwagen),  eine 3 kg-Melone, 500 g Gurken, 3 große Auberginen, 500 g Linsen und zwei Dosen Bier bekommen.

Die 240 Kilometer von Bishkek zum Issyk-Kul waren geschmeidig. So geschmeidig, dass ich aus Langweile ein paar Extrafotos aus dem Fenster geschossen habe. Besonders kreativ fand ich, wie die kargen Hügel als Werbeflächen umgenutzt wurden. Ich hoffe nicht, dass das hier irgendwann einmal eskaliert.

       

In Jurten am Wegesrand bieten kirgisische Frauen Dörrfisch, Kumys und Kurt an. Kumys ist gegorene Stutenmilch, Kurt sind kleine Knabberbällchen aus gegorener Stutenmilch. Ich hab beides versucht – widerliches Zeug, issi(k) nix für meinen westeuropäischen Gaumen. An anderen Straßenabschnitten bieten Anwohner das feil, was in ihren Gärten wächst. Diese Form des Straßenhandels werde ich in Deutschland vermissen. In fast allen Ländern die wir bereist haben, verkaufen die Menschen ihre Gartenfrüchte auf diese Weise. Dann gab‘s noch einen gut beladenen Heulaster, eine Schule und ein Selbstportrait vom Beifahrersitz.

        

Einen Zwischenstop – etwa 70 Kilometer hinter Bischkek – legten wir in Burana ein. Diese ehemalige Hauptstadt der Karakhaniden wurde im 13./14. Jahrhundert allmählich aufgegeben und verfiel. Heute steht noch der Stumpf eines Minaretts, der auch bestiegen werden kann. Interessant fand ich die Organisation des Freilichtmuseums: Um Zutritt zu dem Turm zu bekommen ging ich in das Büro. Dort saßen drei Frauen beim Plausch. Ich zahlte 40 Com pro Person (ca. 0,65 €) und holte mir den Schlüssel. Besucher, die nach mir kommen, müssen warten, bis ich den Turm bestiegen und den Schlüssel wieder in das Büro zurückgebracht habe. Dann können sie den Schlüssel mitnehmen und so weiter. Auf der einen Seite umständlich für die Gäste (eine der Frauen hätte sich ja auch einfach mit der Kasse vor den Eingang des geöffneten Turms setzen können). Auf der anderen Seite auch irgendwie sympathisch weil vertrauensselig. Zum einen haben sie die Anzahl der Besucher nicht kontrolliert, dich ich beim Kartenkauf angegeben habe. Zum anderen haben sie mir mal eben den Schlüssel zu einer bedeutenden Sehenswürdigkeit des Landes in die Hand gedrückt. Außer dem Minarett gab es noch so genannte Balbals zu sehen. Das sind gesammelte Steinfiguren aus der Umgebung, die – so schreibt mein Reiseführer – vermutlich Bildnisse getöteter Feinde darstellen. Die Jurte beherbergt einen Souvenirladen, den ich nicht selbst aufschließen musste. Eine weitere Sensation war eine Kuhherde im Kanal vor dem Freilichtmuseum. In den umliegenden Feldern ernteten die Menschen Erdbeeren und machten Heu.

       

Der Tag begann bereits einige Stunden vorher mit einem kleinen Abenteuer. Wir hatten am Vorabend etwa 50 Kilometer östlich von Bischkek auf einem brachliegenden Acker zwischen Maisfeldern einen Schlafplatz gesucht. Und uns dabei im Matsch festgefahren. Da es schon dämmerte und die Mücken über uns herfielen, verschoben wir die Freifahr-Aktion auf den Morgen danach. Dort übernachten wollten wir ja eh. Mit kreativem Einsatz von zwei Wagenhebern, zwei Sandblechen einem (ehemaligen) Kuchenblech, einer Schaufel und der Unterstützung von zwei  türkischen Feldarbeitern gelang uns die Rettungsaktion nach rund einer Stunde. Das war wieder mal so aufregend, dass ich keine Fotos gemacht habe. Dafür gibt es Fotos von Hanfpflanzen, die hier überall an Wege- und Feldrändern wachsen.

  

Bevor wir uns am Abend festgefahren hatten, haben wir in Bischkek noch ein paar Dinge erledigt. Zunächst haben wir Geld besorgt. Laut diverser Quellen gibt es nur in Bischkek und in Osch Geldautomaten. Dann waren wir auf der Suche nach einer Sim-Karte für’s Internet und wurden in einem Einkaufszentrum fündig, in dem es außer Mobiltelefonkram nichts anders gab. Es ist schon erstaunlich wie hunderte Lizenznehmer von gerade einmal drei oder vier unterschiedlichen Telefongesellschaften hier um den besten Preis oder Service konkurrieren. Für 1.200 Cum (20 €) haben wir schließlich eine Sim-Karte mit Telefonnummer (Verkäuferin: „Please choose your telefone number.“, Karsten: „I don´t care. Give me anyone.“, Verkäuferin stark verunsichert zeigend auf eine Nummer: „Do you like this number?“ – Karsten an der Nummer völlig desinteressiert nachdrücklich: „Yes, I like this number.“) und 2 GB Datenvolumen erwerben können (Anbieter: Megacom, APN: internet).

Bei einem Spaziergang durch die sehr grüne Stadt sahen wir den Bahnhof, der von deutschen Kriegsgefangenen gebaut worden ist, die Statue von General Frunze, nach dem die Stadt einige Jahrzehnte benannt war, ein Plakat für Müllerziehung und ein Mädchen, dass gerade Fahrrad fahren lernte. Und wir trafen Nicolai aus Polen, der nach eigener Aussage „the best man of the world“ ist. Um ihn zu treffen, musste ich also erst einmal nach Bischkek kommen. Er ist Schriftsteller und offensichtlich sprachbegabt – er gab der jungen Dame links gerade Englischunterricht.

       

  

Unser erster Eindruck von Bischkek ist durchweg positiv. Alles ist irgendwie entspannter, offener, freundlicher: Passanten, Polizisten, Städtebau, Verkehr. Lediglich an Knotenpunkten war es etwas unübersichtlich. Weil alle noch „schnell rüber“ wollen über die Kreuzung, geht hier nix mehr. Stillstand in alle Richtungen. Am Ortseingang warten Passanten darauf, von Autofahrern mitgenommen zu werden.

  

Richtig gut kam zudem der Scherz eines Militärpostens nicht bei mir an, der auf mich „aufpasste“ während Karsten mit der Verkehrsstreife lustiges „deutsche Automarken raten“ spielte. Mit der MP im Anschlag deutete er auf dem im Auto verbliebenen Loukas. Ich könne ihn doch besser hier bei ihnen lassen, er würde dann „bumm bumm“ machen. Er amüsierte sich prächtig, als er mit der MP pantomimisch nachzeichnete, wie er einen fortlaufenden Hund abknallt. Es klingt für Außenstehende sicher kaum nachvollziehbar wenn ich versichere, dass selbst dieser dubiose Polizei- und Militärposten angenehmer war als jede der gefühlten 175 Polizeikontrollen in Kasachstan.

Am Grenzübergang Leninska (Korday – Bischkek) sind wir rüber nach Kirgistan. Die Einreise war locker flockig. Beim Zoll die Zollerklärungen für die Fahrzeuge ausfüllen, eine englischsprachige Grenzbeamtin half. Dann durch die Kontrolle. „Habt ihr schon einen Ausreisestempel? Nein? Moment, ich mach das für euch!“ Der Grenzbeamte verschwand in die „Einreisehalle“ und besorgte uns die Stempel. Er erklärte uns noch, dass wir jetzt keine Visa mehr bräuchten (das hatten wir schon einige Tage vorher von Haimo und Mariolein erfahren) und wir nun 60 anstatt nur 30 Tage im Land bleiben könnten. Gute Reise!

Die Ausreise aus Kasachstan war dagegen weniger spaßig. Fahrer und Beifahrer müssen sich hier trennen. Während Karsten mit den Fahrzeug- und Zollpapieren zwischen verschiedenen Schaltern hin- und herflitschte und sich diverse Stempel abholen musste, stand ich in einem Pulk von Menschen, die alle einen Ausreisestempel haben wollten. Es wurde gedrängelt, gerufen, geschwitzt. Ich war völlig baff als mich schließlich ein Russe fragte, ob ich in der linken oder rechten Schlange anstünde. In meiner sortierten westeuropäischen Wahrnehmung stand ich in einer undefinierbaren, drängelnden Menschenmenge. Ich hatte nicht erkannt, dass es darin tatsächlich eine Ordnung gab, an die sich die Einheimischen orientierten. Erst nach dem Hinweis verstand ich die Systematik, fügte mich ein und kam dann auch tatsächlich meinem Ziel – dem Ausreisestempelschalter – näher. Dort hatte ich dann noch ein „prablem“. In meiner Migrationskarte stand unerklärlicherweise, dass ich nur bis zum 20.07. im Land bleiben würde. Es war nun aber schon der 03. August. Es kam ein Vorgesetzter. Dann noch ein Vorgesetzter. Ich glaube, nur weil es wirklich voll war sahen die Zollbeamten von einem Versuch, mir Bestechungsgeld rauszuschlagen, ab. Bei Haimo und Mariolein hatten sie es wenige Tage zuvor versucht: „You chäv big problem… I can chälp you…. Put in you passport a straf.“ Dabei hatten sie noch nicht einmal etwas falsch gemacht. Sie zahlten nicht und kamen durch. Mich ließ man auch durch. Das Datum hatte ich übrigens – darauf machte mich Karsten später aufmerksam – selbst falsch in die Migrationskarte eingetragen. Dummer Anfängerfehler. So sieht übrigens die Grenze auf kasachischer Seite aus.

Und das war am Abend vor unserer Ausreise. Rund 50 Kilometer vor der Grenze. Ein wunderschöner, einsamer Standplatz, den das Wetter – als wäre es ein Versöhnungsgeschenk zum Abschied – in atemberaubendes Licht hüllte. Issi(k) cool, oder?

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Easy going in Kasachstan

Es ist ein bisschen wie im Feriencamp, hier in unserem Basislager im Nationalpark Ile-Alatau.

Seit drei Wochen sind wir jetzt hier. Der Bergbach vor der Tür, eine Trinkwasserquelle unweit und atemberaubende Wanderziele in der Umgebung: Das sind ideale Voraussetzungen, um es sich „gemütlich“ zu machen. Das „Draußenleben“ mit der Natur genieße ich hier ganz besonders. Der erste Kaffee am Morgen mit den Füßen im kalten Bergbach, während ich auf die 4.000er des Tien-Shan blicke, gehört für mich zu den schönsten Dingen überhaupt. Es wird mir schwer fallen, mich zu Hause wieder an geschlossene Räume zu gewöhnen.

Ausruhen tat dringend Not. Die viele Fahrerei macht ganz wirr im Kopf. Ich glaube, die Indianer waren nicht dumm, als sie in den Anfängen der Eisenbahnzeit eine Nacht im Zielbahnhof auf ihre Seelen warteten, weil diese ihrem Glauben nach nicht so schnell hinterher kamen. Auch mein Körper musste sich regenerieren. Wandern und Bergsteigen wirken da Wunder. Mein Hintern nimmt langsam wieder seine ursprüngliche Form an… nach so vielen Kilometern auf der Straße war der doch ganz schön plattgesessen.

Der Nationalpark Ile-Alatau ist mit einer Fläche von 200.000 Hektar atemberaubend groß. Wir bewegen uns seit zwei Wochen in einem einzigen Tal… Die besondere Herausforderung: Es gibt keine Wanderkarten, keine Infotafeln, keine Wegemarkierungen. Zum Glück reise ich mit Karsten-Tours. Sein geschultes Bergsteiger-Auge entdeckt noch jede Route auf einen anvisierten Gipfel.

Ich bedaure immer wieder, dass wir selbst auf so einer Reise wie dieser nicht „alles“ mitnehmen können. Es ist einfach zu viel, was wir uns anschauen könnten, und die Entfernungen sind zu groß. Es juckt mich beispielsweise, noch Kasachstans „Grand Canyon“ 200 Kilometer östlich von hier zu sehen oder die „singende Düne“ im Nationalpark Altyn-Emel nördlich von Almaty. Alles mitnehmen zu wollen, hieße, nichts richtig genießen zu können. Also machen wir mal was gründlich und erkunden dieses Tal bis aufs Äußerste.

Seit einer Woche sind wir auch nicht mehr allein in unserem Basislager. Sylvia & Eckhart (auf dem Foto links) mussten in Usbekistan ihren ursprünglichen Reiseplan über Bord werfen. Sie wollten über China nach Indien fahren, hatten auch schon eine Genehmigung und einen Fahrer für China. Kurzfristig wurde dann die Durchfahrt durch Tibet für Touristen geschlossen. Und die einzige Alternativroute über Pakistan war dann auch nicht einfach zu realisieren, weil man entsprechende Visa ausschließlich im Heimatland bekommt und dort auch noch persönlich anwesend sein muss. Wir hatten die beiden schon in Atyrau getroffen und uns riesig gefreut, als sie hier eintrudelten.

Vor vier Tagen kamen dann auch Haemo und Mariolein (auf dem Foto rechts) mit ihrem Mitsubishi L300 Allrad zufällig vorbei. Vor  fünf Wochen sind sie in Deutschland losgefahren. Ein irres Tempo, finde ich. Sie fahren der Nase nach durch Zentralasien, wissen morgens nicht, wo sie abends landen. Im Oktober müssen sie wieder zu Hause sein.

Ich genieße die Feriencamp-Atmosphäre und den Austausch in meiner Muttersprache. Locker beisammensitzen. Karten wälzen. Erfahrungen tauschen. Grillen. Bier trinken. Diskutieren. Lachen.

Heute ist unser letzter Tag an diesem Ort. Morgen verlassen wir Kasachstan, fahren weiter nach Kirgistan. Nach einem echten Reisetief vor drei Wochen sind meine Batterien wieder aufgeladen. Ich bin reiselustig und voller Vorfreude auf den Issyk-Kul – den zweitgrößten Hochgebirgssee der Welt, auf noch mehr Berge und auf Eva und Peter, die wir am 20. August vom Flughafen in Bischkek abholen werden. Ob wir es gemeinsam noch bis zu den Walnusswäldern schaffen, werden wir sehen. Am 30. August nämlich müssen wir sie schon wieder zurück zum Flughafen bringen. Und läuten damit auch unseren Heimweg nach Deutschland ein.

So sieht es übrigens aus, wenn drei Gipfelbezwinger nach einem geglückten 4.000er wieder ins Basislager kommen.

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Pik Sovetov, Erstbesteigung mit Hund

Es ist einfach irre, zu welchen Leistungen ein kleiner, acht Monate alter Hund in der Lage ist.

Nach tagelangem Auskundschaften mit dem Fernglas von anderen Gipfeln in der Umgebung aus war uns der beste Weg auf den 4.317 Meter hohen Pik Sovetov halbwegs klar. Wir mussten irgendwie auf den westlichen Grat des Berges kommen und dann diesem Grat bis zum Gipfel folgen.

Leicht gesagt. Von der Nordseite, so wie auf dem oberen Bild dargestellt, erschien uns der Zustieg zu steil. Also entschieden wir uns, den Berg halb zu umrunden, von Südwesten aus ein Tal hochzusteigen und dort zu übernachten. Die Idee war dann, ein großes Geröllfeld oberhalb der Abbruchkante zu queren, um auf den Grat zu gelangen.

 

Wir schlugen unser Zelt gegen Nachmittag des ersten Tages auf 3.300 Höhenmetern auf. Als dann die warme Luft vom Tal aus hochzog und auskondensierte, hatte der Anblick einen erhöhten Stellenwert auf der Spektakularitätsskala.

     

Im Frühtau zu Berge zogen wir dann quer über das Geröllfeld. Das war so anstrengend, dass wir vergaßen, Fotos zu machen. Erst auf dem Grat hatten wir wieder Zeit und Muße auf den Auslöser zu drücken. Dort fanden wir auch die einzigen Wegmarkierungen in Form von Steinmännchen, die Sylvia spontan renovierte.

     

Ein breites, fast ebenes Geröllfeld markierte den Ausgangspunkt für die letzten 400 Höhenmeter auf den Gipfel. Von nun an ging es steil über kleine und große Gesteinsbrocken bergauf.

     

Auf dem Gipfel dann das übliche Gepose (gähn) und die Erforschung des Schneeplateaus.

     

Mit dem Blick nach Norden konnten wir fast alle Orte sehen, die wir in den letzten drei Wochen besucht hatten.

Der Blick Richtung Südosten zeigt die ersten Ausläufer des Zentralmassivs des Tien Chans mit seinen 7.000ern, Richtung Süden liegt hinter den Bergen in Kirgisien der Issik-Kul auf ca. 1600 Höhenmetern.

 

Der Abstieg gestaltete sich noch als kleiner Härtetest, da wir nach den 1.000 Metern hoch noch ganze 2.000 Meter wieder absteigen mussten. Um noch eine Nacht zu zelten, fehlte uns der Proviant, und was wir so am Wegesrand fanden, hatte keinen Nährwert oder war zu schnell wieder in seinen Erdlöchern verschwunden.

     

Hier schon einmal das Modell unseres nächsten Projekts:

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Pik Loukas

So langsam entwickeln wir uns zu echten Bergziegen. Nachdem wir auch den noch schlafenden Militärposten hinter der Sternwarte austricksen konnten, indem wir an der Schranke einfach durch das Gelände vorbeifuhren, lag uns die Bergwelt um das Pionierdorf Kosmotralala oder so ähnlich zu Füßen. Auf dem ersten Bild im Hintergrund sieht man den Mount Sylvia (der kleinere von den beiden Erhebungen) auf 3.511 Höhenmetern, den wir Tage zuvor „erklommen“ hatten. Auf dem zweiten Bild ist die Straße zu erkennen, die zu dem Pionierdorf auf 3.350 Höhenmetern, wo wir geparkt hatten, führt. Weiter unten im Talkessel liegt der Almatiner Stausee.

 

An diesem Tag wollten wir die 4.000er-Grenze knacken und machten uns an den Aufstieg über ein langes Geröllfeld zum Pik Loukas. Die Berge in dieser Gegend haben bestimmt auch richtige Namen, doch ich konnte bisher nur wenige herausfinden.

     

Die letzten Meter gingen über ein Schneefeld und – zack – waren wir auch schon oben.

     

Der Rundumblick war einmal wieder überwältigend. Gletscherzungen, schneebedeckte 4.000er und die Großstadt Almaty in der Ferne. Ich kann mich selbst kaum sattsehen an den Bildern.

         

Leider zeigte das Navi nur 3.950 Höhenmeter an. Mist. Und in der Nähe war nichts, was noch höher lag. Jetzt müssen wir doch noch ein 4.000er-Projekt angehen. Besonders reizvoll erscheint uns der Pik Sovetov (der übrigens wirklich so heißt) mit 4.317 Höhenmetern. Dessen schneebedeckte Nordseite kann man von Almaty aus sehen, wenn der Abgasdunst es zulässt.

Beim Abstieg wieder Edelweiß und Enzian gefunden. Die ganze Bergtour hat inklusive Pause nur vier Stunden gedauert, so dass wir um 11.00 Uhr wieder am Pionierdorf waren. Das war auch gut so, denn vom Tal her zogen Nebelschwaden auf. Drei Stunden später an unserem Standplatz weiter nördlich brach dann ein heftiges Gewitter los.

     

Auf dem Weg zurück wurden wir an der Schranke, die wir früh morgens umfahren hatten, von einem Soldaten angehalten, der unsere Pässe sehen wollte. Wir mussten mit zum Unteroffizier in ein kleines Häuschen 100 Meter weiter. Nachdem der Vorgesetzte die Pässe geprüft hatte, schaute er mir noch einmal tief prüfend in die Augen, bevor wir dann weiterfahren durften.

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Schnüffeln an der kirgisischen Grenze

Schon wieder um 5.00 Uhr aufgestanden und in die Berge gefahren. Diesmal sind wir dem Weg vom Almatiner Stausee zum Issik Kul in Kirgistan bis zur kirgisischen Grenze gefolgt. Hin und zurück eine Wanderung von 25 Kilometern und knapp 1.000 Metern Höhenunterschied.

Der Almatiner Stausee, der die Stadt mit Wasser versorgt, ist um diese Jahreszeit nur halb voll. Gut zu erkennen sind jetzt die Sedimentablagerungen, die aus den Bergen gespült werden.

     

Auf einem Kiesweg gehen wir entlang des Baches, der den See speist. Das Panorama mit den umliegenden 4.000ern ist gewaltig.

     

Eine Furt, die für geländegängige Fahrzeuge noch befahrbar ist, erweist sich für uns als zu tief. Eine Militärstreife in einem Geländewagen, die just das Wasser durchquert, als wir nach einem alternativen Übergang suchen, empfiehlt uns eine Stelle ca. einen Kilometer bachaufwärts, an der das Bachbett breiter sein soll. Tatsächlich schaffen wir hier die Durchquerung.

     

Nach einer Schranke mitten im Nirgendwo gelangen wir an eine Abzweigung Richtung Osten, die zurück über den Bach in ein Nachbartal führt. Das Schild verstehen wir nicht ganz, da der Berg Talghar eher 30 statt 7 Kilometer entfernt liegt. „M. Talghar“ ist wahrscheinlich ein Pass. Zur Linken sehen wir noch den Berg Sovetov mit 4.317 Metern Höhe. Mal sehen. Vielleicht gehen wir ihn ja in dieser Woche noch einmal an. Wir müssten dafür allerdings eine Nacht hier oben zelten.

     

Weiter geht es Richtung Süden. Der Weg wird unebener und besteht jetzt aus grobem Geröll. Es fängt an zu regnen und leicht zu hageln. Auf 3369 Höhenmetern steht mitten auf dem Weg ein Schild, das die Grenze Kasachstans andeutet. Unser Navi sagt, dass die Grenze noch einen weiteren Kilometer entfernt ist. Da das Wetter sich verschlechtert und nach der nächsten Biegung auch nichts mehr Spektakuläres zu sehen ist, posen wir noch ein wenig vor dem Schild und treten den Rückweg an.

     

Auf dem Rückweg haben wir noch Zeit, Flora und Fauna zu bewundern.

     

Frisch wie nach der ersten Minute. Nach acht Stunden Wanderung ist uns keine Erschöpfung anzumerken.

Wenn man erst einmal sieht, wie groß der Nationalpark Ile Alatau eigentlich ist, dann wird verständlich, warum man die beiden Zufahrtstäler den Picknickgästen und Skifahrern überlässt. Eigentlich ist es sogar ganz schlau, den Nationalpark mit den Eintrittsgeldern von Gästen zu finanzieren, die eh nur maximal fünf bis zehn Prozent der Fläche nutzen. Auf der gesamten Wanderung sind wir nur den zwei Soldaten im Geländewagen begegnet. Ansonsten waren wir vollkommen allein unterwegs.

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