Nach Hause

Vorgestern sind wir durch Karakol am östlichen Ende des Issyk-Kuls gefahren und waren mit 8.000 km auf unserer Route am weitesten von zuhause entfernt. Ab jetzt werden die Distanzen geringer.

Peter und Eva, bei denen wir unsere Möbel untergestellt haben und die uns für 10 Tage in Kirgistan besucht haben, fliegen morgen früh wieder nach Deutschland zurück. Irgendwie beneide ich sie, weil sie nicht mit dem Auto quer durch die ehemaligen GUS-Staaten nach Hause gurken müssen.

Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal „zuhause“ im weitesten Sinne mit der EU, Rechtssicherheit und Verständigungsmöglichkeiten auf Englisch in Verbindung bringen würde. Seitdem wir die Ukraine, ein Land, das eine Annäherung an den Westen anstrebt, verlassen haben, fühle ich mich weiter von der Heimat entfernt als in Australien. Ich weiß, dass dies nur ein Gefühl ist. Praktisch haben wir uns immer verständigen können und sämtliche formalen und technischen Probleme lösen können. Doch bisher war das immer mit viel Gerede, Aufwand und Zeit verbunden. Sobald ich an der Tankstelle wieder selber den Rüssel in den Tank hängen und die Bezahlung auf Englisch abwickeln kann, fühle ich mich irgendwie wohler. Keine Fragen mehr wie „skolka liter“ (wieviel Liter) und kein Tankvorgang mehr, wenn beim Volltanken mindestens einer von uns mit dem Geld winkend bei der Kassiererin steht, weil man ja eigentlich erst im Voraus die Anzahl der zu tankenden Liter bezahlen muss. Wenn wir von der Polizei angehalten werden, dann können wir wenigstens sicher sein, dass wir etwas falsch gemacht haben. Hier richte ich mich täglich auf ellenlange Diskussionen unter Einsatz von Händen, Füßen und ein paar Brocken Russisch mit den Uniformierten ein, auch wenn wir bei den meisten Kontrollen freundlich behandelt werden und nach kurzen Wortwechseln weiterfahren dürfen. Doch mindestens jeder zehnte Bulle ist erfahrungsgemäß ein korruptes Arschloch, das uns abziehen will. Bei den vielen Kontrollen hat man schnell einen Hauptgewinn gezogen. Und wenn ich an den ganzen Formalkram an den Grenzen mit Zollerklärungen für die Fahrzeuge, Immigrationskarten und zusätzlicher Registrierungspflicht bei der Immigrationspolizei im Land denke, dann würde ich diesen kontrollwütigen Polizeistaaten am liebsten sofort den Rücken zukehren und mit dem Flieger nach Hause düsen. Aber reden wir nicht weiter von diesem Thema. In fünf Monaten lachen wir darüber. Zuhause gibt es auch Bürokratiewahnsinn.

Zuhause, das ist irgendeine Wohnung oder ein kleines Haus südlich von Aachen in der Nordeifel, schick auf dem Land mit netten Nachbarn und einem kleinen Garten für den Hund. So stellen wir uns das zumindest vor. Das wird auch noch einmal eine kleine Anstrengung, bis unsere Möbel wieder in vier gemieteten Wänden stehen.

Zuhause, das ist auf jeden Fall Deutschland oder Zentraleuropa mit seinen vielen Menschen, Freunden, Familie, dichtem, aber geregeltem Verkehr, Arbeit, Gesundheitsversorgung, Geschäfte, in denen man alles bekommen kann, was man nicht braucht, und so weiter.

Zuhause, das bedeutet aber auch desillusionierte Menschen, Anspruchsdenken, Jammern auf hohem Niveau, Politikverdrossenheit, Arbeitstretmühle und Hundesteuer.

Es ist schon ein seltsames Gefühl, nach zehn Monaten zurückzukehren. Wir sind jetzt noch mindestens sechs Wochen unterwegs. Rein rechnerisch ist das zweimal ein Jahresurlaub. Doch in Gedanken sind wir jetzt häufiger in der Heimat als zuvor.

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