Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte, würden die Usbeken heute alle Mercedes fahren

Jaja, die kulturellen Unterschiede sind derzeit unser Thema. Häufig vergesse ich die positiven Seiten der kasachischen Kultur wie z.B. die persönlichen Freiheiten abseits der Transitstrecken und ihren Polizeikontrollen. Wir stehen jetzt seit über einer Woche an einem Gebirgsbach im Nationalpark Ile Alatau, 15 km von der Innenstadt der 1,6 Millionen-Metropole Almaty und campen hier. Um uns herum kommen Menschen und picknicken. Keiner, weder andere Besucher noch die Ranger, nimmt Anstoß an unserem Verhalten. Im Gegenteil, man ist verhalten interessiert an uns und unserer Reise. Man stelle sich vor, ein kasachisches Pärchen würde an den Gestaden der Isar in München ihre Jurte aufschlagen.

Doch da ist ein Unterschied, der ist so kurios, dass ich ihn unbedingt noch erzählen muss. Immer wieder erfahren wir persönlich oder durch die Darstellung anderer Reisender, dass die Sicht auf Deutschland und seine Geschichte in Zentralasien teilweise anders wahrgenommen wird, als wir das in Europa gewohnt sind.

Zurken hat letztens in seinem Blog geschrieben, dass ein Usbeke ihm gesagt hätte, wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte, dann würden jetzt die Usbeken wenigstens alle Mercedes und BMW fahren. Ja, was wäre wohl gewesen, wenn die Deutschen und die Japaner den Zweiten Weltkrieg gewonnen hätten?

Erst neulich habe ich ein Science Fiction Audiobook von Philip K. Dick zu diesem Thema gehört. Das Buch hieß „The Man in the High Castle“. Die USA ist aufgeteilt in zwei Besatzungszonen. Der Osten ist deutsches, der Westen japanisches Territorium. Das Buch beschreibt die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, jedoch völlig konträr zum wahren Verlauf der Geschichte. Im Rahmen der Handlung wird ein verbotenes Buch beschrieben, das hypothetisch ausführt, wie die Geschichte auch anders hätte verlaufen können, z.B. wenn Roosevelt rechtzeitig entschieden hätte, dass die USA am Bau einer Atombombe arbeitet. So haben jedoch die Nazis zuerst die Atombombe zur Verfügung gehabt und damit den Krieg für sich und das verbündete Japan entschieden. Eigentlich ein cooles Buch, in Teilen ein wenig zu abgedreht. Dick hat es in seiner paranoiden Drogenphase geschrieben.

Nevertheless, mit dem Gedankengut der Nazis kann ich mich so wenig identifizieren, dass ich nicht auf die Idee käme, dass, wenn Nazideutschland den Krieg gewonnen hätte, „wir“ Deutschen gewonnen hätten. Die Deutschen haben verloren, als sie der NSDAP 1933 ein Drittel ihrer Stimmen gegeben haben, die NSDAP mit der DNVP (Deutschnationale Volkspartei) eine Regierungskoalition bilden und mit dem Ermächtigungsgesetz die Demokratie abschaffen konnte. Mit dem Faschismus kann man keinen Staat machen, geschweige denn die Welt regieren.

Aus der Sicht der Zentralasiaten jedoch…  Schlimmeres als Stalin hätten die Nazis den Menschen in dieser Region kaum antun können. Doch ich glaube, das mit dem Mercedes-Fahren ist eine Milchmädchenrechnung. Die Nazis hätten die von ihnen unterworfene Welt wohl kaum so organisiert, dass sich die Zentralasiaten – in der nationalsozialistischen Rassenlehre „Untermenschen“ – Premiumprodukte aus Deutschland hätten leisten können. Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte, würden die Usbeken statt rüstiger Ladas heute höchstens Autos aus Leukoplast mit Zweitaktmotoren fahren.

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