Warum ich gerade so mies drauf bin

Im Augenblick fällt es mir schwer, unsere Reise zu genießen. Da ist eine gewisse Reisemüdigkeit, die sich in mir breit macht. Ein Jahr ist zu lang. Ein halbes Jahr bis neun Monate sind vollkommen ausreichend. Es wiederholt sich alles irgendwie.

Ich sitze hier gerade an einem Gebirgsbach auf 1.700 Höhenmetern am Rande des Tienchan-Gebirges, 6.500 Kilometer und drei Wochen Fahrzeit von zuhause entfernt. Eigentlich ein idealer Standplatz. Angenehme Temperaturen, Duschwasser vor der Tür, Trinkwasser an einer Quelle drei Kilometer talabwärts und ein kleiner Market vier Kilometer in dieselbe Richtung. Ein bisschen zu viel Trubel für meinen Geschmack. Das Zentrum von Almaty ist gerade einmal 15 Kilometer entfernt. Am Wochenende kommen hier viele Locals hin, um ein Picknick zu machen.

Doch die Nähe zur Stadt ist uns gerade wichtig. Wir müssen ziemlich viel regeln. Die Fahrt hierhin haben unser Auto und das Motorrad nicht unbeschadet überstanden. Am Motorrad ist der Steuerkettenspanner ausgeleiert. Eine Schwachstelle der BMW F 650, die sich durch lautes Klackern bei laufendem Motor bemerkbar macht. Die Steuerkette schlägt halt von innen gegen das Zylinderkopfgehäuse. Doch der Mechaniker in der Motorradwerkstatt hat ihn ausgebaut und gereinigt. Dafür wollte er übrigens kein Geld. Sehr nett! Jetzt funktioniert der Spanner wieder, und da wir die Strecke nach Hause nicht auf dem Bike absolvieren müssen, werde ich ihn wohl erst in Deutschland austauschen. Der Gepäckträger vom Moped war auch gebrochen. So etwas bekommt man hier jedoch in jeder Hinterhofwerkstatt für 2,50 Euro geschweißt. Die Schäden am Motorrad resultieren allein aus dem Transport. Das Gerüttel auf den Straßen hat wahrscheinlich in Zusammenhang mit dem eingelegten ersten Gang am Motorrad die Steuerkette beschädigt und über die Spanngurte auch den Gepäckträger überlastet.

Dann brauchten wir neue Hinterradreifen am Auto. Die waren bei Antritt der Reise nicht mehr die neuesten, und wir sind jetzt schon 20.000 Kilometer auf dieser Reise gefahren. Die Spur mussten wir auch einstellen lassen. Nach einem Aufsetzer der Sturzhalterung an einer Bodenwelle bei Baikonur haben wir die Spur nur optisch einstellen lassen. Kostenpunkt beim Reifenhändler: insgesamt 200 Euro. Kleinigkeiten wie das Rücklicht des Anhängers habe ich mit Bordmitteln beheben können. Doch auch unsere Lichtmaschine macht Probleme. Sie liefert 30 bis 40 Volt Ladespannung statt der normalen 14 Volt, was nach einer Recherche im Internet nur mit einer defekten Gleichrichterdiode zu erklären ist. Morgen fahre ich mit dem Motorrad und der ausgebauten Lichtmaschine los, um eine neue zu organisieren bzw. eine Werkstatt zu finden, die einen solchen Schaden reparieren kann.

Die Organisation von Reparaturen ist aufgrund der Sprachbarriere und der fremden Stadt sehr aufwendig. Seit knapp einer Woche sind wir jetzt schon so häufig kreuz und quer durch Almaty gefahren, dass ich die Hauptverkehrsstraßen wiedererkenne und ich bald auf das Navi verzichten kann. Ich freue mich ein wenig darauf, morgen mit dem Moped zu fahren, da die Fahrerei mit unserem Gespann durch die Staus sehr nervig war.

Die vielen Schäden treiben mir die Sorgenfalten auf die Stirn. Bisher sind wir keine 1.000 Kilometer ohne irgendein kleineres oder größeres Problem davongekommen. Wir fahren jetzt hier in der Gegend um Almaty und Bischkek mindestens noch weitere 1.000 Kilometer und die Rückfahrt schlägt auch noch einmal mit ca. 7.000 Kilometern zu Buche. Das bedeutet noch einmal acht Schäden unterschiedlichster Natur, die wir meistern müssen. Mir wird schwindelig bei dem Gedanken.

Der Fahr- und Reparaturstress lässt mein Augenlid zucken. Dieses Symptom kenne ich nur von Überarbeitung. Das war so nicht im Konzept der einjährigen Auszeit eingeplant. Vielleicht werde ich ja aber auch einfach nur ein griesgrämiger alter Sack. Immerhin werde ich jetzt 44. An die grauen Haare habe ich mich bereits gewöhnt. Die Falten jucken mich wenig. Dass ich jetzt bald eine Lesebrille brauche, nervt mich schon mehr. Aber dass meine Knie nach 2.000 Höhenmetern Wandern anfangen zu schmerzen, treibt mich in eine mittlere Midlife-Crisis. Wenigstens habe ich eine zehn Jahre jüngere Freundin.

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