Die Oase von Aralsk: Bei Bugra, Mustafa und Talan

Rückblick… Auf der Suche nach dem ehemaligen Hafen von Aralsk irren wir durch die Straßen des trostlosen Ortes. Die Sonne brennt und unsere Entdeckungslust schwindet dahin. Wir sind kurz davor, das Unterfangen aufzugeben, umzudrehen und Aralsk ein für alle Mal zu verlassen. Ich fotografiere gerade noch eine Kuh, die in einer Bushaltestelle Schutz vor der Sonne sucht, als wir eine Stimme hören. Sie ruft in Englisch: „Hey, what are you doing here?“ Karsten ruft zurück: „We don´t know!“ Die fremde Stimme gehört Bugra, der von Mustafa begleitet wird. Sie sind gerade auf dem Weg in ihr Büro, einer türkisch-kasachischen Firma für Fischverarbeitung. Das Bürogebäude ist uns schon vorher aufgefallen. Es passt so gut in dieses Inferno wie eine Freiluftaufführung von „Schwanensee“.

  

Die beiden netten Jungs sind Agrar-Ingenieure aus der Türkei. Sie wohnen gemeinsam mit ihrem Kollegen Talan aus Kirgistan in einer Haus-WG fußläufig von hier. Sie freuen sich über jede Abwechslung und können gar nicht oft genug betonen, wie eintönig das Leben hier ist. Sie laden uns kurzerhand in ihr Büro auf Tee ein. Und dann in ihr Haus zum Abendessen, Wäschewaschen und Duschen. Da Karsten und ich uns mindestens genauso über Abwechslung freuen, nehmen wir die Einladung an und verschieben unsere Flucht aus diesem Ort um einen Tag.

Das Haus ist groß, stilvoll eingerichtet, heimelig. Eine kasachische Haushälterin sorgt für Ordnung in der Männerwirtschaft. Sie hilft mir auch die Waschmaschine zu bedienen – meine erste Waschmaschine seit sieben Monaten! Das Haus ist eingezäunt. Der Innenhof ist karg bis auf einen kleinen Nutzgarten. Die Herren Agrar-Ingenieure geben alles, um hier Salat, Tomaten und Kräuter wachsen zu lassen – ein hartes Unterfangen bei dem Klima und dem kargen Boden. Für das Abendessen erntet Mustafa feierlich den ersten Salat und ein bisschen Petersilie. Es ist ein Großereignis, an dem die ganze WG teilnimmt und das fotografisch festgehalten wird.

       

Das Abendessen ist fantastisch. Mustafa hat ein großartiges türkisches Fischgericht gezaubert. So gut habe ich schon seit Monaten nicht mehr gegessen. Es gibt Bier und – natürlich – Wodka. Der Abend ist fröhlich und ausgelassen und wir erfahren etwas mehr über die Drei. Mustafa (großes Foto links) ist verheiratet und hat einen dreijährigen Sohn. Seine Frau ist Russin und gemeinsam wohnen sie in Russland. Gebürtig kommt Mustafa aus Alanya, wo er früher auch im Tourismusgeschäft gearbeitet hat. Für ihn ist es besonders traurig, von seiner Frau und seinem kleinen Sohn getrennt zu sein. Trotzdem will er diesen Job noch einige Zeit machen. Aber eigentlich träumt er von einem eigenen Fischrestaurant. Das Zeug dazu hätte er auf jeden Fall.

Talan (Mitte) kommt gebürtig vom Issyk-Kul in Kirgistan. Das ist der See, der den weitesten Punkt unserer Reise markieren wird. Er hat eine Frau und ein Kind, die in Kyzlorda, etwa 400 Kilometer entfernt von Aralsk, leben. Talan hat Wirtschaft studiert und macht die Buchhaltung in der Firma. Er fährt alle zwei Wochen für vier Tage nach Hause. Davon träumen Mustafa und Bugra nur.

Bugra (rechts) kommt aus Istanbul. Er arbeitet seit elf Monaten für die Firma. Er ist bekennender ultrAslan-Fan (Istanbuler Fußballclub) und hinterlässt zu Hause eine Verlobte und einen Deutschen Schäferhund. Er leidet unter der Situation, so weit weg zu sein von seinen Liebsten. Er arbeitet elf Monate in Aralsk und hat dann einen Monat Urlaub in Istanbul. Wie lang er das noch machen will? Je nachdem, welche Alternativen sich ihm bieten werden.

Die Jungs sind herzlich, natürlich, unkompliziert. Wir genießen den Abend und bleiben am nächsten Tag noch bis zum Mittagessen. Wir wünschen den Dreien von Herzen, dass sie so schnell wie möglich nach Hause zu ihren Familien finden. Um diesen Wunsch symbolisch zu machen, schenken wir ihnen zum Abschied einen Kompass.

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