Reisen != Urlaub

Man könnte ja meinen, die zwei Teilzeitaussteiger leben ein sorgenfreies Abenteuerleben mit lauter tollen Eindrücken. Doch Reisen ist harte Arbeit. Zugegeben, wenn man drei Wochen am selben Standplatz steht, mit Tätigkeiten wie Scheiße entsorgen, Frischwasser nachfüllen, Einkaufen, Essen zubereiten und Kleider waschen, dann kann man das schon Urlaub nennen. Nach sieben Monaten unterwegs haben wir mittlerweile jedoch schon über 15.000 km zurückgelegt. Diese Strecke wird sich, wenn alles nach Plan verläuft, in den nächsten fünf Monaten noch einmal mehr als verdoppeln – und das mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 50 km/h. Weder unser Auto noch die Straßen ermöglichen ein schnelleres Vorankommen. Das bedeutet: 400 km sind ein geregelter Arbeitstag. Rechnet man eine Gesamtstrecke von 32.000 km, so ergibt das 80 Arbeitstage. Dabei ist das Fahren an sich noch die leichteste Tätigkeit, da man sich abwechseln kann und der Verkehr Richtung Osten beständig abnimmt. Dafür werden dann aber auch die Straßen schlechter, und in Städten mit einem Gespann fahren macht in keinem Land der Erde Spaß.

Deutlich anstrengender ist da bereits die Suche nach guten Standplätzen. Manchmal kann das ganz fix gehen, wenn man Tipps aus dem Internet verwendet (z.B. die Stellplatzdatenbank von http://meinwomo.net), mit Google Maps Satellitenbilder studiert oder einfach nur einen Platz neben der Straße für eine Nacht aufsucht. Manchmal muss man jedoch Stunden an Umwegen und Erforschungen vor Ort zu Fuß oder mit dem Motorrad investieren. Per Zufall findet man fast nie einen guten Platz. Bei durchschnittlich zehn Standplätzen pro Monat und einer gemittelten Suchzeit von einer halben Stunde komme ich auf weitere 7,5 geregelte Arbeitstage verteilt auf ein Jahr.

Die wirklich nervigen und zeitraubenden Tätigkeiten sind jedoch Reparaturen und Checkereien wie Ersatzteile organisieren, Werkstätten und Ärzte suchen, Grenzen passieren und Papierkram aller Art erledigen. Die Sprachbarriere stellt dabei das größte Hindernis dar. Wenn ich z.B. eine Werkstatt brauche, die uns auf der Krim die Handbremshalterung wieder anschweißt, dann kann ich nicht einfach im Internet oder in den Gelben Seiten danach suchen und telefonisch einen Termin vereinbaren. Njet. Not possible. Wir müssen uns mit unserem ganzen Hausrat von Werkstatt zu Werkstatt hangeln und jedes Mal mit dem Vorzeigen der gebrochenen Halterung unser Anliegen darlegen. Und dann muss man seinem Gegenüber noch klarmachen, dass die Karre auch mit einer Quick-and-Dirty-Reparatur zufrieden ist und dieses Anliegen nicht mit dem Besuch einer VW-Werkstatt zu vereinbaren ist. Am liebsten würde ich den Leuten die Flex und das Schweißgerät aus der Hand reißen und das Ding selber wieder ans Fahrgestell dübeln. Glücklicherweise fanden wir durch Zufall in Simferopol eine Hinterhofwerkstatt, in der ein alter Mann mit einem tätowierten Anker auf der Hand offenbar seiner Lieblingsbeschäftigung – der fortgeschrittenen Schrauberei – nachging. Mit wenigen Handzeichen verstand er, wie ich mir eine sachgemäße Reparatur vorstellte. Er nahm zwei Bleche und fixierte diese mit seinem Elektroschweißgerät am Fahrgestell. Das sieht jetzt zwar nicht aus wie neu, aber was sieht an unserem Fahrzeug schon aus wie neu? Dafür hält die Konstruktion die nächsten zehn Jahre. Wir waren ihm sehr dankbar und wollten ihn entlohnen, doch zu unserer Verwunderung wollte er kein Geld. Dinge gibt’s, die glaubt man gar nicht. Doch ich schweife ab.

Allein für Reparaturen sind in den vergangenen sieben Monaten ca. 10 Arbeitstage draufgegangen, für das Aufsuchen von Ärzten für uns und den Hund sowie Papierkram noch einmal ca. 10 Tage. Rechnet man das auf den Rest der Reise hoch, kommt man auf weitere 35 Arbeitstage. Macht summa summarum ca. 120 Arbeitstage auf ein Jahr. Die Reflexion der Reise in unserem Blog und die Suche nach Internet kann ich nur schwer mit einem Zeitaufwand beziffern und werte ich auch nicht als Arbeit, auch wenn es manchmal nichts anders ist.

Ein normales Arbeitsjahr hat ca. 235 Arbeitstage. Wir üben mit unserer Reise also einen guten Teilzeitjob aus. Das stimmt auch mit unserem Gefühl überein. Erholungsphasen hatten wir nur an den Orten, an denen wir länger als eine Woche geblieben sind:

  • Sibenik in Kroatien, 2 Wochen,
  • Odysseus‘ Bay in Nordwestgriechenland, 10 Tage,
  • Karathona Beach bei Nafplio im Südosten des Peleponnes, 6 Wochen,
  • Cirali an der türkischen Adria, 3 Wochen.

Manchmal bleiben wir an einem halbwegs guten Platz einfach ein oder zwei Tage länger, nur um uns auszuruhen von der Fahrerei oder Checkerei. Wenn wir uns mit unseren Ankündigungen nicht so weit aus dem Fenster gelehnt und wir nicht 1.000 Euro in Visa investiert hätten, dann würden wir ernsthaft erwägen, den Rest des Jahres gepflegt an einem Strand in Griechenland zu verbringen oder einfach ans Nordkap zu fahren. Da soll es jetzt sehr angenehm sein, wenn man einmal von der Mückenplage absieht.

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