Ankara – von Zufällen, einem Besuch im Hamam und einer Einladung zum Lammessen

Als Standplatz für unseren Besuch Ankaras wählten wir eigentlich einen Campingplatz an einem See im Süden der Stadt. Aus dem Internet haben wir die Navi-Koordinaten. Diese führen uns auch tatsächlich an einen See, den Mavi-Göl. Der liegt jedoch am nördlichen Ende Ankaras, rund 40 Kilometer entfernt von unserem eigentlich Ziel. Aber das wissen wir noch nicht, als ich einen Wachmann an einer Schranke eloquent frage: „Camping?“. Er spricht in sein Funkgerät. Nickt mir zu. „Camping.“ Die Schranke öffnet sich. Wir erreichen ein Kassenhäuschen. Wir: „Camping?“ Der Kassierer spricht in sein Funkgerät. Nickt schließlich und verlangt sechs Türkische Lira, umgerechnet etwa drei Euro. Die zweite Schranke öffnet sich. Wir sind auf einem Picknick-Gelände. Der komplette Mavi-Göl ist umzäunt. Innendrin gibt es hunderte von Picknickbänken für die allsonntäglichen Familien-Picknicks der Ankaraner. Wir erreichen zwei weitere Security-Männer. Wir: „Camping? Üç gün.“ (=“drei Tage“) Dann wieder die Funkgerät-Nummer. Jetzt kommt ein Mann in Anzug und Krawatte. Vermutlich der Chef. Blickt ins Fenster, nickt und deutet an, dass wir seinen Security-Leuten folgen sollen. Das tun wir. Einmal um den halben See. Am allerletzten Ende, auf einem einsamen Parkplatz sollen wir bleiben. Wir sind mehr als zufrieden. Nicht zuletzt, weil wir gerade aus Versehen 50 Euro gespart haben. Im Camping-Paket sind ein Duzend gelangweilter Wachmänner, die nicht nur unser Auto bewachen sondern auch ausgesprochen unterhaltsam sind. Nur Loukas brauchte einen Moment, sich an den Platz zu gewöhnen und bellte erst einmal den Riesen-Menschen vor unserem Bus an.

Am nächsten Tag  fahren wir mit dem Motorrad in das Zentrum der Stadt. Wir schlendern über einen Trödelmarkt und während wir an der Straße zu Mittag essen beobachten wir, wie sich rund zwei Duzend Männer vor einer Moschee zum Mittagsgebet sammeln. Wir gehen auf den Burgberg und genießen die Aussicht. Unglaublich, dass bis vor einhundert Jahren gerade einmal 50.000 Menschen in Ankara gelebt haben. Der Bevölkerungszuwachs begann erst, als Atatürk die Stadt zur Hauptstadt der neu gegründeten Republik ernannte. Heute leben rund vier Millionen Menschen hier. Etwa 60 Prozent aller Häuser, ganze Viertel, wurden „wild“ ohne Baugenehmigung gebaut. Der Koran sagt, dass man dem, der sein Haus über Nacht auf dein Grundstück baut, das Haus nicht wegnehmen darf. Ankömmlinge bauen zunächst über Nacht eine Blechhütte. Nach und nach folgen die Steinmauern, das Dach, die Infrastruktur rund herum.

      

Einen Tag später, am Samstag, erfülle ich mir einen Wunsch. Mit der Dolmuş, einer Art Sammeltaxi, fahre ich in ein echtes Hamam. Es ist aus dem 16. Jahrhundert und mein Reiseführer sagt, es sei das beste der Stadt. Dort angekommen, verlaufe ich mich zunächst in den Haupteingang. Dieser führt natürlich in den Männer-Bereich. Ein Passant erkennt meine missliche Situation gleich und deutet mir den Weg zum Hintereingang, in das Frauen-Hamam. Dort trete ich durch zwei unscheinbare Holztüren. Eine Treppe führt in den Keller. Und plötzlich starren mich etwa zehn Frauen an. Eine kommt auf mich zu. Ich merke, ich bin richtig. Ich buche Massage und Ganzkörperpeeling. Da wir uns mit keinem Wort verständigen können, zeigt sie mir alles. Führt mich in den einen, dann in den anderen Raum, gießt mir heißes Wasser über den Körper, legt mich auf die heißen Mamorplatten, rubbelt mich mit dem Peelinghandschuh minutenlang vom Kopf bis zu den Füßen, massiert mich. Ich fühle mich unglaublich gut und genieße das Gefühl, mal wieder richtig „rein“ zu sein.

Am Sonntag um 16:00 Uhr haben wir den Termin beim Tierarzt zur Blutabnahme. Wir verlassen unsere Picknick-Area und wollen noch etwas spazieren gehen, an einem Aussichtspunkt. Erstaunlich viele Menschen sind dort oben. Und immer mehr kommen an. Wir beobachten zwei Männer, wie sie aus dem Kofferraum eines kleinen Autos ein quietschlebendiges Lamm tragen. Sie führen es in eine kleine Hütte mit Wellblechdach. Das werden die doch jetzt nicht… In dem Moment spricht uns schon eine Frau an. Sie lädt uns ein, mit ihnen zu essen. Wir nehmen dankend an. Ich wage einen Blick in die Hütte mit dem Wellblechdach. Dort hängen sie, die Schafe. Drei oder vier. Die Tiere werden geschächtet und unmittelbar danach verarbeitet. Später erfahren wir von einem netten Ingenieur aus Istanbul, dass dies ein Fest verschiedener Gemeinden ist. Sie kommen alle hier zusammen und speisen gemeinsam. Zum Lamm gibt es Reisgrütze und Griesklöschen. Dieses Mittagessen war eindeutig kein kulinarisches Highligh. Über die Geste, uns wildfremden Spaziergänger einzuladen, haben wir uns trotzdem gefreut.

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