Freunde

     

Als wir das erste Mal in die Odysseus-Bucht fuhren, waren wir noch beim Auskundschaften und suchten zunächst einen Campingplatz, wo wir unsere Wäsche waschen konnten. Daher verließen wir die Bucht erst einmal wieder. Dabei kam uns ein älterer Mann mit freiem Oberkörper in einem blauen VW Golf Pickup entgegen, blieb stehen, kurbelte sein Fenster herunter und fragte uns: „Warum wegfahren?“ Ich vermutete zunächst, dass es sich um den Besitzer des lokalen Strandcafés handelte und antwortete beschwichtigend: „Wir suchen einen Campingplatz, kommen aber vielleicht wieder.“

Am selben Abend kehrten wir tatsächlich zurück. Gegen Mittag des nächsten Tages kam der Mann wieder und wir stellten uns vor. Er heißt Loukas und kommt fast jeden Tag aus der naheliegenden Stadt Kanallaki hierher, um im Meer zu schwimmen. Er spricht gebrochen Deutsch, weil er wie viele ältere Männer hier aus der Gegend in den sechziger und siebziger Jahren in Deutschland gearbeitet hat. Als ich ihm am Strand stehend das erste Mal richtig in die Augen blickte, musste ich an das Lied „Road Trippin‘“ von den Read Hot Chili Peppers denken. Darin kommt folgende Textzeile vor: „These Smiling eyes are just a mirror for the sun“. Mir wurde klar, dass seine Freundlichkeit vollkommen ohne Hintergedanken war. Er kündigte an, uns beim nächsten Mal Schnaps mitzubringen. Zwei Tage später, als wir von einem Ausflug mit dem Motorrad wiederkamen, hing eine Tüte mit einer Plastikflasche mit selbstgemachtem Grappa, Zitronen und Apfelsinen an unserem Bus. Am darauffolgenden Tag waren wir da, als er gegen Mittag auftauchte. Ich ging mit ihm zusammen im Meer schwimmen und wir tranken anschließend zu dritt Kaffee. Diese Prozedur wiederholt sich nun jeden Tag. Heute hat er uns selbstgemachtes Olivenöl und Tomaten mitgebracht. Wir reden über Familie, Reisen und lernen dabei ein wenig Griechisch. Loukas hat ein kleines Café in Kanallaki, das mittlerweile von einem seiner beiden Söhne betrieben wird. Außerdem hat er etwas Land, 30 Schafe, und er baut selber Tomaten, Trauben, Oliven und Zitrusfrüchte an. Als er uns berichtete, dass seine Frau vor zehn Jahren gestorben sei, kamen ihm die Tränen in die Augen. Er sagte, wenn er nicht täglich schwimmen würde, dann läge er den ganzen Tag im Bett. Außerdem würde regelmäßiges Schwimmen im Meer das Leben um zehn Jahre verlängern.

Auch die ausgewilderten Tiere statten uns regelmäßig Besuche ab, obwohl ihr Interesse eher in unserem Essen liegt. Wir haben beschlossen, eine halb verhungerte junge Katze, die uns mit ihrem herzzerreißenden Miauen angebettelt hat, mit Katzen-Hartz-IV aufzupeppeln. Kirke wird nun jeden Tag von uns zweimal mit Katzenfutter verköstigt. Irgendwie hat sich das jedoch über den Strandfunk wie ein Lauffeuer verbreitet, so dass mittlerweile bis zu fünf ausgewilderte Hunde uns belagern. Teilweise werden sie mit ein bisschen Brot davon abgehalten, auf das Katzenfutter loszugehen, teilweise muss ich sie mit wilden Gesten und einem Stock in der Hand verscheuchen.

Wir bleiben noch ein paar Tage in der Odysseus-Bucht. Das Wetter ist zwar unbeständig, doch weiter südlich ist es auch nicht besser und höchstens zwei Grad wärmer. Außerdem tragen wir hier Verantwortung.

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3 Kommentare zu Freunde

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