Grenzübergang Kroatien – Montenegro: Der streng dreinblickende Grenzbeamte findet uns mit unserem Gefährt wohl ziemlich… ungewöhnlich. Und das zeigt er uns auch. Mit einem süffisanten Lächeln scherzt er auf unsere Kosten: „Where do you want to go? Iran? Afghanistan?“ Seine kleine Show gilt eigentlich nicht uns, sondern den drei aufgetakelten Damen. Sie stehen neben dem Herrn in Uniform und grinsen. Ich finde das hingegen nicht ganz so lustig. Mich machen Grenzbeamte nervös. Und zynische Grenzbeamte erst recht. Mit einem arroganten Augenzwinkern gibt er mir die Pässe zurück. Eine der Frauen weist er an, uns zehn Euro für eine Vignette abzuknöpfen.
Montenegro selbst beeindruckt uns dann landschaftlich sehr. Wir nehmen einen Umweg von rund 30 Kilometern in Kauf, um die ganze Bucht von Kotor zu sehen.
Das Land scheint sich touristisch rasant zu entwickeln. Ich erinnere mich an imposante Auftritte von Montenegro auf der Internationalen Tourismusbörse Berlin (ITB). Und hier im Land selbst schießen an allen Ecken Hotelburgen in die Höhe. Eine Reihe königsblauer Schilder mit weißem Sternenkranz zeigen, dass die EU hier in Infrastrukturmaßnahmen investiert. Und so wird auch die Küste von Montenegro mit jedem Jahr den großen Vorbildern in Italien und Spanien immer ähnlicher werden…
Trotz der traumhaften Ausblicke fühle ich die steigende Anspannung in der Fahrerkabine. Albanien kommt näher. Wir wollen die Grenze unbedingt bei Tageslicht passieren. Karsten sorgt sich um den Zustand der Straßen. Ich sorge mich um uns.
Es ist merkwürdig, welche Bilder wir in unseren Köpfen mit uns herum tragen von den Dingen, die wir nicht kennen. Ich verstehe mittlerweile die Amis, wenn sie glauben, alle Deutschen kleideten sich in Lederhosen und Dirndl und ernährten sich ausschließlich von Weißbier und Sauerkraut. Schließlich glaube ich ja auch, dass alle Albaner in der Mafia sind und jeden aus dem Westen per se erst einmal ordentlich ausrauben – aus Prinzip sozusagen.
50 Kilometer vor der Grenze zeichnet sich der nahende Sonnenuntergang ab. Die Nacht würden wir also besser in Montenegro verbringen. Wir finden einen ehemaligen Campingplatz direkt am Meer. Karsten hat mittlerweile eine Meisterspürnase für idyllische WoMo-Standplätze.
Der nächste Tag begrüßt uns mit stürmischem Regenwetter. Also legen wir keinen Strandtag ein, sondern fahren weiter. Wir passieren den Skadarsko-See, der in den späten Achtzigern als Nationalpark ausgewiesen wurde. Die Vielzahl der Angler zeigt, dass man es hier mit dem Prozessschutz nicht ganz so eng nimmt. Ich hätte mich gern mit einem Mitarbeiter des Nationalparks unterhalten. Wie kann man in einem so armen Land überhaupt einen Nationalpark erfolgreich managen? Mit der Ausweisung eines Schutzgebietes gehen schließlich immer auch wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeiten für die Bevölkerung verloren. Und Montenegro ist – EU hin oder her – nach wie vor ein armes Land. Aber gut, das ist ein anderes Thema und verdient eine eigene Geschichte.
Je mehr wir uns Albanien nähern, desto schlechter werden die Straßen, desto ärmlicher die Häuser, desto wirrer der Verkehr. Unser Navi soll uns nach Tirana, die Hauptstadt Albaniens, führen. Rund 15 Kilometer vor der Grenze zeigt es allerdings nur noch durchschnittlich eine von drei real existierenden Straßen an. Wegweiser gibt es natürlich keine. Noch steuere ich den Bus. Fast wäre ich falsch abgebogen als Karsten ruft: „Du musst links fahren zur Grenze! Ist doch klar: Immer dem LKW hinterher!“ Ok, dachte ich. Dem LKW hinterher. Ist doch klar.
Jetzt wird es richtig arm. Rechter Hand passieren wir ein Grundstück mit Bergen voll Müll. Mittendrin lodert ein stinkendes Feuer. Drumherum spielen die Kinder. Mir schnürt es die Kehle zu.
Nach rund zwei Kilometern ist die Straße einspurig und uns begrüßt ein Schild „Durchfahrt verboten“ wegen Bauarbeiten. Das verunsichert offensichtlich sogar den Fahrer des LKWs. Er hält an und versperrt uns den Weg. Der geschätzt 50-jährige Beifahrer steigt aus und kommt langsam, mit seinem schönsten zahnlosen Lächeln auf uns zu. Er wirft ein Blick auf unser Nummernschild. „Guten Tag. Tirana?“ Er deutet in Fahrtrichtung. Wir deuten auf unser Navi, zucken mit den Schultern und nicken. „Ja, vermutlich schon“, sagen wir und meinen: „Ja, hoffentlich“. Er zuckt mit den Schultern und lächelt wieder. „Nix verstehen“, sagt er und meint: „Die haben ein Navi, hervorragend“. Der Mann klettert zurück in den LKW. Der fährt an den Straßenrand, so dass wir passieren können. Ab sofort sollten wohl besser wir vorfahren…
[To be continued…]