Nomadenleben

Um es vorweg zu nehmen: Wir haben unseren Bus wieder und sind unterwegs.

Am Mittwoch, 23.11. bekamen wir die Nachricht, dass wir den Wagen in Ljubljana abholen konnten. Die Fahrt mit dem Motorrad war ein absolutes Wechselbad der Gefühle. Sprichwörtlich hautnah konnten wir zwei Jahreszeiten an einem Tag erleben. Als wir in Koper am Meer auf die Autobahn fuhren, hatten wir Sonnenschein und 15 Grad (im Schatten). Die erste halbe Stunde mussten wir uns bergauf durch uns entgegenkommende kalte Fallwinde kämpfen. Mehrfach wurden wir meterweise aus der Spur geweht. Dann kam der Nebel und von jetzt auf gleich fiel die Temperatur auf unter null Grad. Um uns herum war plötzlich Winter. Die Bäume hatten einen weißen Raureifüberzug, und die Leute in den Autos schüttelten die Köpfe ob unseres Anblicks. Nach weiteren 30 Minuten erreichten wir mit abgefrorenen Fingern Ljubljana, das tatsächlich nur 100 km von Koper entfernt ist. Da die Stadt in einem großen Becken liegt, umgeben von den Alpen und Mittelgebirgen, hält sich der Nebel dort besonders hartnäckig. Gepaart mit hektischem Berufsverkehr lädt die Szenerie zum sofortigen Verlassen ein.

Nachdem wir unser fahrendes Zuhause für 380 Steine Arbeitskosten ausgelöst hatten, machten wir uns dann auch sofort auf den schnellsten Weg Richtung Zadar in Kroatien. Warum gerade Zadar? Weil dieselben Skeptiker, die uns prophezeit haben, dass unser Bus nur bis Kroatien hält, gesagt haben, dass, wenn wir es bis Zadar schaffen, wir auch den Rest der Reise bewältigen werden. Wir wählten den kürzesten Weg über Landstraße durch Slowenien und fuhren nicht die 70 km weitere Strecke über die Autobahn und über Zagreb. Dieser Entschluss brachte uns dann auch den ersten Vorgeschmack auf die Straßen in Albanien und den anderen Ländern, in denen das Geld in die Autos und nicht in die Infrastruktur fließt. Auf der Hälfte der Strecke hörte die kurvige, aber gut ausgebaute Landstraße auf und verwandelte sich in eine brettharte Schotterpiste mit Bodenwellen und Schlaglöchern. Insgesamt 20 km zuckelten wir mit 30 km/h durch einen vollkommen menschenleeren Wald, bis wir wieder anständigen Belag unter den Rädern hatten.

Auf der Autobahn in Kroatien, die auf ca. 600 Metern Höhe durch das Hinterland führt, empfing uns dann wieder der Winter: Schneeregen bei -3 Grad und vereiste Fahrbahnen. Bei einem Zwischenstopp an einer Tankstelle stellten wir fest, dass unser Wagen komplett mit einer feinen Eisschicht überzogen war. Gruselig, und hier wollen wir überwintern?

Vor Zadar führt die Autobahn wieder zum Meer. Auf dem Weg nach unten empfingen uns die bekannten Fallwinde und dann – als wenn nix gewesen wäre – +10 Grad mitten in der Nacht. Ich kann jetzt gut nachvollziehen, warum sich die Griechen, Punier und Römer in der Antike entlang der Küsten des Mittelmeeres ausgebreitet haben. In Ljubljana kann es in strengen Wintern bis zu -40 Grad kalt werden, während 100 km weiter an der Küste das Thermometer selten unter null Grad fällt.

Wir übernachteten kurz hinter Zadar auf einer wilden Wiese in einer Nebenstraße. Am nächsten Morgen fuhr ein Mann in einem alten Golf ohne Nummernschilder vor und wollte von uns 10 Euro haben, weil wir auf seinem Grundstück übernachtet hätten. Wir gaben ihm das Geld und ich überlegte kurz, ob wir dafür unser überquellendes Chemieklo auf seinem Grund und Boden entleeren sollten – als angemessenen Gegenwert für unser Entgelt. Ich musste an Mario aus dem Bergdorf in Istrien und seine geringe Meinung über die Menschen in dieser Gegend denken. Die Ehre der lokalen Bevölkerung rettete jedoch dann ein Mitarbeiter eines Campingplatzes, der auf unsere Nachfrage in einem Touristenbüro extra seinen Platz öffnete, damit wir dort Wasser tanken und unser Klo entleeren konnten – für umsonst.

Wir beschlossen, uns erst einmal einen guten Stellplatz für die nächste Nacht zu suchen und fuhren weiter nach Sibenik. Hier sollte nach unseren Recherchen im Internet ein ehemaliger Campingplatz sein, auf dem man mehrere Tage ungestört stehen können sollte. Wir haben ihn auch auf Anhieb gefunden. Die verlassenen Campingplatzeinrichtungen sehen zwar eher nach Punkgraffiti hinterm Bahnhof aus, aber der Platz selber liegt wunderschön und ist, im Gegensatz zu den meisten Landstraßen und verlassenen Gebäuden, Plätzen und Einrichtungen in Kroatien, kaum vermüllt. Zur einen Seite sieht man die Skyline von Sibenik, zur anderen einen natürlichen Kanal zwischen dem Festland und einer vorgelagerten Insel (siehe Bilder). Ende des klassischen Reiseberichts mit stellenweisen Auflockerungen.

     

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