Die Entdeckung der Hässlichkeit

Ich habe die Angewohnheit in allem erst einmal das Nützliche, das Schöne, das Leichte zu sehen. Das hat sein Gutes, seinen Sinn. Vor allem macht es unbequeme Situationen erträglicher. Auch wenn ich Karsten damit manchmal nerve: „Oh! Schau mal wie schön, der Vollmond!“ ist aus seiner Sicht vielleicht nicht ganz der passende Kommentar, wenn wir gerade „Zylinderkopfdichtung“ diagnostiziert bekommen. Nein, nicht alles ist schön und es macht durchaus Sinn, auch mal genau hinzuschauen.

Ich mag diesen Ort. Das Haus ist alt, es erzählt Geschichten. Nur noch eine Hälfte steht. Die andere Hälfte ist Ruine. Wie viele Häuser hier in Kroatien wurde auch dieses nach dem Krieg nicht mehr richtig aufgebaut. Ein offensichtlich reicher Geschäftsmann aus Ljubljana mit vielen Auszeichnungen, Preisen und Empfehlungen an den Bürowänden investierte hier schließlich. Dieses Steinhaus restaurierte er für Touristen. Weiter unten am Hang baute er ein Neues. Das mit dem Tourismus ist übrigens nur sein Hobby. Eigentlich baut seine Firma Hydraulikteile für deutsche Waffen. „Die Bundeswehr ist ein wichtiger Kunde“, sagte er uns in perfektem Deutsch in seinem Büro. In dem mit den vielen Auszeichnungen.

Ich will Kontakt finden zu der Dorfbevölkerung. Heute Morgen fasse ich mir ein Herz. Vor der Tür sehe ich den jungen Kroaten auf der anderen Straßenseite basteln. Also schlurfe ich mit meinem Kaffeebecher in der Hand rüber und beginne Konversation. Eloquent sage ich: „Dobar dan! This is a beautiful place.“ Er blickt auf, hält inne und zündet sich erstmal eine Zigarette an. Seine Miene verrät nichts. Der knapp 20jährige kauft alte Motorroller, repariert sie und verkauft sie dann wieder. Davon lebt er. Im Sommer zumindest. „In the winter here is nothing. Nothing at all. This place is boring. This place is dead.“

Ich finde es erst einmal einfacher, in den Dingen das Nützliche, das Schöne, das Leichte zu sehen. Das ist bequem. Vor allem in Zeiten der Geschäftigkeit macht es mich effizienter. Reicher macht es mich hingegen wenn ich mich einlasse. Wenn ich hinschaue und hinterfrage. Hässlichkeit entdecke. Wunden finde. Narben fühle.

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