Von Schymkent nach Almaty

Jaja, ich weiß. Ein Artikel tiefbetrübt, der nächste himmelhochjauchzend. So ist das auf einer Reise der Extreme.

Wir haben uns die letzten Tage ziemlich ins Zeug gelegt und Kilometer gemacht. Während wir jetzt schon am Ziel angekommen sind, hängen unsere Seelen noch irgendwo auf der Strecke zwischen Schymkent und Almaty. Ich versuche mal, sie wieder einzufangen…

In Schymkent laufen wir durch die Straßen, sehen Brunnen mit einer riesigen metallenen Tulpe, fotografieren lustige, postsowjetische Wandbemalungen und landen in einem Park mit Kriegsdenkmälern für einen Krieg, in dem Mensch und Hund Seite an Seite gekämpft haben.

     

Dass ausgerechnet die Russen die Herkunft eines Reifens für Panzerwagen auf Englisch hinterlegen, zeugt davon, dass die Welt zusammenwächst!

 

Wir krönen unseren Aufenthalt mit einem Schaschlik und bekommen Heimatgefühle, als wir an einer Podologiepraxis vorbeikommen. Später auf der Straße trefen wir erneut auf Relikte aus der Heimat.

     

Die Landschaft verändert sich. Hinter einer Moschee tauchen plötzlich Berge auf, und die Straßen werden hügeliger. Allerdings sind die angekündigten 12 % meistens gelogen. Anscheinend wurden von diesen Schildern irgendwann einmal zuviele hergestellt, und dann hat man sie einfach vor jedem Anstieg, den man noch locker im 4. Gang fahren kann, aufgestellt. 50 km vor Taras landen wir an einem Stausee und lernen den Russen Paul und seine Angelkollegen kennen.

     

Am nächsten Tag suchen wir in Taras einen Bankomaten und Autogas. Da hält ein Biker an und fragt uns in perfektem Englisch, ob wir Hilfe brauchen. Er nennt sich Russell. Wir kommen ins Reden und ich darf auch mal auf seiner Kiste sitzen, denke aber, dass sie nicht zu meinem Haarschnitt passt. Er erzählt, dass vor ein paar Tagen ein Biker aus Ungarn hier vorbeigekommen sei. „Roland“, rufe ich laut aus und er grinst mich an. Ja, er hätte sich mit ihm angefreundet. Unglaublich. Roland haben wir 1.500 km von hier in der Wüste getroffen. Russell fährt mit uns durch die halbe Stadt, um einen Bankomaten und eine Autogastankstelle zu finden.

 

Auf der weiteren Fahrt Richtung Almaty geraten wir in einen Sandsturm. So etwas Widerliches! Man sieht teilweise nichts mehr, wirklich gar nichts mehr, und der Staub zieht durch jede noch so kleine Ritze ins Auto. Am abendlichen Standplatz 500 Meter neben der Straße sehen wir unsere erste Schlange. Sie ist ca. 1,5 Meter lang, und statt abzuhauen richtet sie sich auf und zischt nach uns. Ich werfe mit kleinen Steinen nach ihr, was sie dazu veranlasst, sich in ihr Erdloch zurückzuziehen. Wir stellen den Wagen für die Nacht 100 Meter weiter.

     

Am nächsten Morgen beschließe ich, dass wir noch am selben Tag Almaty erreichen. Ich will endlich ankommen. Die letzten 360 Kilometer sollten auf den halbwegs guten Straßen in einem Tagewerk zu machen sein. Die Straßen sind leider doch nicht so gut und teilweise mit Schlaglöchern und Bodenwellen vermint. Das Unterfangen wird eine ziemliche Plackerei und zehrt an unseren Nerven. Wir kommen trotzdem an und lernen als erstes, welche Bank Gerard Depardieu preferiert.

 

Morgen schauen wir uns erstmal nach einem ordentlichen Standplatz in den Bergen um, die 10 km hinter der Stadt beginnen. Dann müssen wir uns in den nächsten drei Wochen darum kümmern, dass unser Auto auch wieder den Rückweg schafft. Wir brauchen neue Reifen, unsere Lichtmaschine macht Faxen und das linke vordere Radlager quietscht.

Just als ich diese Zeilen tippe und Sylvia und der Hund neben mir eingschlafen sind, höre ich, wie unsere Seelen gegen die Rückwand unseres Autos klatschen. Jetzt kann auch ich beruhigt schlafen gehen.

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