Baiganin – die Stadt in der Steppe

Zwei Tage lang juckeln wir durch die Steppe, 240 Kilometer Schlagloch- und Schotterpiste, Staub, Einsamkeit. Irgendwo zwischen Atyrau und Aktöbe dann erscheint der Ort Baiganin. Ein paar Tausend Menschen wohnen hier, schätze ich. Trotz seiner Kargheit ist der Ort beschaulich, aufgeräumt, freundlich.

     

Zuerst wollen wir Trinkwasser und Brot besorgen. Die Suche nach einem Geschäft ist nicht einfach, denn die Läden hier haben weder Schaufenster noch Leuchtreklame. Ein handbemaltes Schild, blau-weiß, mit dem kasachischen Wort für Geschäft über der Tür ist alles was darauf hinweist. In dem Laden ist es heimelig. Brot duftet von der Ladentheke und eine hübsche Kasachin in einem roten Kleid lächelt mich an. 20 Liter Wasser kaufe ich bei ihr, noch etwas Saft, Brot und Plätzchen. Obst und Gemüse gibt es hier nicht. Auch kein Käse oder Wurst. Dann überrasche ich sie mit der Bitte, ein Foto machen zu dürfen. Dafür überrascht sie mich mit einem Snickers als Dankeschön.


Als nächstes Benzin. Wir finden eine hübsche Tankstelle. Die im Blümchenhemd gekleidete Tankstellenwartin klingeln wir vermutlich aus der Mittagspause, so mürrisch wie sie schaut. Deshalb mache ich lieber kein Foto von ihr. Dafür aber von der historisch anmutenden Zapfsäule mit analoger Zähluhr.

Jetzt Brauchwasser für den Wassertank. Die Tankstellenwartin zeigt auf ein Haus, vor dem es einen Brunnen geben soll. Während wir ihn orientierungslos suchen, beobachtet uns eine Familie über den Gartenzaun. Damit diese uns nicht für Vollidioten oder BND-Spitzel hält, versuche ich den Leuten zu erklären, was wir suchen. Sie verstehen und verweisen uns nicht auf den Brunnen sondern holen ihren Gartenschlauch und füllen unseren Tank. Ich mache derweil Busführungen für die Familienmitglieder und lasse mich fotografieren. Als der Wassertank voll ist, beginnt der Familienvater unser schlammiges und staubiges Auto abzuduschen. Eine nette Geste eigentlich, die Karsten jedoch einen leicht panischen Gesichtsausdruck verleiht. Da hat er 19.000 Kilometer so hart für diese Patina gearbeitet und der Mann duscht sie in Sekunden wieder ab. Nach etwa vier Quadratmetern zerstörter Patina schafft Karsten es mit wilden Gesten den jetzt verdattert dreinblickenden Herrn zu  stoppen.

  

Weil gerade alles so gut klappt (abgesehen von der Autowäsche) fragen wir die Familie zum Abschied nach einem Schweißer oder Schlosser. Am Heck des Busses rostet uns der Rahmen weg, so dass die Hintertür rauszubrechen droht. Tatsächlich gibt es eine einschlägige Firma, keine 200 Meter weiter. Also hin. Der große Hof ist leer, ein einziger Mann hält die Stellung und schaut sich unser Problem an. Sie können das reparieren, aber erst nach der Mittagspause in 30 Minuten. Ja, die Mittagspause zwischen 13 und 14 Uhr ist den Kasachstanern heilig. In dieser Zeit läuft nichts in diesem Land. Roland, der Biker aus Ungarn hat erzählt, dass sogar die Grenzbeamten in der Mittagspause die Grenze geschlossen haben. Also sollte mal jemand von euch nach Kasachstan einreisen wollen: nicht zwischen 13 und 14 Uhr.

     

Die nächsten drei Stunden verharren wir bei etwa 40 Grad im Schatten. Die Tür wird geschweißt, der Kollege macht seine Arbeit gründlich. Der Preis ist 4.000 Tenge (22 Euro). Dass die Tür danach immer noch etwas instabil ist liegt nicht an der Schweißarbeit sondern daran, dass die mit dem Rahmen verbundenen Bodenbleche unter den Küchenschränken teilweise ebenfalls weggerostet sind. Für heute reicht uns das aber so. Eine Grundsanierung braucht die Karre sowieso wenn wir wieder zu Hause sind. Jetzt geht es erst einmal wieder zurück in die Steppe.

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